0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
Sie ganz offen!«
Der junge Mann presste einen Augenblick die Lippen aufeinander und runzelte die Stirn.
»Also, die Sache ist so«, brummte er schließlich. »Honda war in unserer Klasse. Ich will nicht gerade sagen, dass sie uns gegeneinander ausgespielt hätte, aber sie war zu jedem so verdammt freundlich, dass sich jeder was drauf einbildete, während in Wahrheit gar nichts dabei war.«
»Ich glaube, ich verstehe«, sagte Alf.
»Sie war zu jedem freundlich, das ist es. Dass wir alle hinter ihr her waren, na ja, sie war eben ein verdammt hübsches Mädchen, nicht?«
»Aber ja. Meiner Meinung nach muss sie eine Schönheit gewesen sein.«
Der Junge schob die Unterlippe vor. Irgendwie wirkte es wie eine stumme Gebärde der Bewunderung.
»Das war sie«, bestätigte er. »Und dabei war sie gar nicht eingebildet. Kein bisschen. Sie war ganz natürlich. Na ja, das wollte ich eigentlich alles gar nicht erzählen. Ich wollte Ihnen sagen, dass ich gesehen habe, wie sie hier in dieses Zimmer ging.«
Der Raum war auf einmal von einer Spannung erfüllt. Das leichte Hüsteln eines Beamten der Mordkommission wirkte wie ein ungebührlicher Laut.
Unwillkürlich blickten alle in seine Richtung.
»Wann haben Sie Honda Queal hier hereingehen sehen?«, fragte Alf Lundquist gespannt.
Der Junge zuckte die Achseln.
»Das muss kurz nach dem Klingeln gewesen sein. Also etwa drei Uhr siebzehn, würde ich sagen.«
»Die Zeitfrage ist für uns von großer Bedeutung, Mister Haiburg«, sagte Alf. »Deswegen möchte ich Sie bitten, noch einmal darüber nachzudenken und uns die Minute dann möglichst genau zu sagen.«
»Hm…«, brummte der Junge mit gesenktem Kopf. »Also es klingelte, da stand ich auf der Treppe. Professor Handersum stand hinten an der Tür zum Sekretariat. Er ging hinein. Ich kam die Treppe herunter…«
»Wo wollten Sie hin?«, unterbrach Alf.
Der Junge wurde rot und stotterte etwas, bis er herausbrachte: »Sir, ich musste…«
»Die Toiletten sind gleich unter der Treppe«, warf einer der Kollegen ein.
Alf Lundquist unterdrückte ein Lächeln, es war komisch: Sobald die Leute sich mit der Polizei unterhalten mussten, wurden die menschlichsten Dinge für viele peinlich.
»Okay, bitte, erzählen Sie weiter«, bat Lundquist.
»Also ich kam die Treppe herunter«, wiederholte der Junge. »Dazu habe ich ungefähr eine Minute gebraucht. Dann sah ich Honda Queal in dieses Zimmer gehen. Ich suchte die Toiletten auf. Als ich gerade die Tür aufmachen wollte, kam Bill Ranger aus dem Nebenzimmer und ging ebenfalls in dieses Zimmer.«
Alf war wie elektrisiert.
»Bill Ranger?«, wiederholte er. »Das haben Sie genau gesehen? Ein Irrtum ist unmöglich? Er ging nach Honda Queal hier in diesen Raum?«
»Ja. Das habe ich genau gesehen. Es muss drei Uhr siebzehn gewesen sein, als er hier hereinkam.«
***
Ich bewohnte ein möbliertes Zimmer in der Hamilton Terrace. Der Block war selbst für New Yorker Verhältnisse sehr groß, und wir hatten ihn als Unterkunft für mich gewählt, weil man halbwegs sicher sein durfte, dass sich die Leute in einem so ausgedehnten Mietshaus nicht viel umeinander kümmerten.
Meine Wirtin war die Frau eines Werkmeisters einer Büromaschinen-Fabrik. Sie war bieder, stets zu einem Schwatz aufgelegt und von einer Sauberkeits-Leidenschaft befallen. Man sah sie nie ohne einen Putzlappen.
Ich schloss die Wohnungstür auf und wollte den Flur durchqueren, um in mein Zimmer zu huschen, als die Küchentür aufging und Mrs. Lindner erschien.
»Hallo, Mister Drechsel!«, rief sie freundlich. »Ich habe Kuchen gebacken. Mögen Sie ein Stück? Dann kommen Sie in die Küche!«
Ich hatte bereits eine höfliche Ablehnung auf der Zunge, als die Frau hinzufügte: »Da fällt mir übrigens ein, dass Sie Besuch hatten, Mister Drechsel.«
Im Flur war es halbdunkel, aber sie hatte die Küchentür offenstehen, durch die Licht in den Flur fiel. Als sie das mit dem Besuch sagte, wurde ich neugierig und ging auf sie zu. Sie fuhr erschrocken zurück, als ich näherkam.
»Gütiger Himmel, Mister Drechsel!«, rief sie aus. »Was ist Ihnen denn passiert? Wie sehen Sie denn aus? Man muss sofort einen Arzt…«
Ich betrat die blitzsaubere Küche und setzte mich müde auf einen Stuhl.
»Danke«, winkte ich ab. »Ich war schon bei einem Arzt. Es sieht schlimmer aus, als fes ist. Alles okay.«
»Aber wie ist denn das passiert?«, fragte sie atemlos vor Aufregung.
Ich zuckte die Achseln und erzählte ihr ein Märchen
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