0274 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
Einmal, daß wir im Lokal etwas vorhatten und zum zweiten, daß Molnar ein Abwehrmann war. Dann löst sich doch das Rätsel: Man ließ Molnar gehen, aber man schoß ihn nieder,- damit er nichts mehr von seinem Wissen an den FBI weitergeben konnte.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Also gut, eine Möglichkeit ist es«, brummte ich widerstrebend. »Aber sie überzeugt mich nicht. Es sind mir zu viele Wenns und Abers dabei. Aber Phil sprach von zwei Möglichkeiten?«
»Ich stelle mir einfach vor«, meinte mein Freund, »daß die Bande eine Konkurrenz hat. Man nahm Molnar aufs Korn, wußte aber nicht, daß wir ihn am selben Abend festnehmen wollten. Das ist alles.«
Ich runzelte die Stirn und durchdachte diese Möglichkeit bis in die Einzelheiten, »Wenn das stimmt«, murmelte Mr. High, »wird es für uns noch komplizierter! In dem Falle müssen wir zwei Banden suchen.«
»Außerdem«, sagte ich, »halte ich auch diese Theorie nicht für zutreffend. Wenn eine Bande einer anderen Konkurrenz macht, merkt man das wochenlang. Es gibt verprügelte Bandenmitglieder bald bei der' einen, bald bei der anderen Gang. In der Hinsicht gab es aber in den letzten Wochen keine besondere Aktivität. Zweitens mußten eine unwahrscheinliche Menge von Zufällen Zusammentreffen, um das Ereignis von gestern abend eintreten zu lassen.«
»Wieso unwahrscheinlich viele Zufälle?« fragte Phil.
»Hör zu! Die Konkurrenzgang hat also beschlossen, gegen die Marihuana-Bande loszuschlagen. Nehmen wir das einmal an. Erster Zufall: Sie beschließt, daß man ausgerechnet Molnar als ersten umbringen wird. Zweiter Zufall: Sie setzt den Termin dafür ausgerechnet auf gestern abend fest! Dritter Zufall: Wir wollen aber zur selben Zeit Molnar verhaften. Vierter —«
»Hör auf«, winkte Phil ab. »Weißt du eine bessere Erklärung?«
»Nein«, gab ich zu. »Die Wirklichkeit war vermutlich viel einfacher, als wir es uns jetzt vorstellen können.«
Nach einigen Minuten des Schweigens sagte ich plötzlich wie elektrisiert: »Wenn Molnar an Petty eine neue Lieferung weitergeben sollte, wieso hatte er dann gestern abend keine Marihuanas bei sich?«
Noch bevor Phil oder der Chef etwas erwidern konnten, schlug das Telefon an. Mr. High meldete sich und reichte mir den Hörer. Es war Jim Cumberland.
»Horcombe brüllt in seiner Zelle nahezu pausenlos, daß er mit den beiden G-men sprechen möchte, Jerry! Kommen Sie?«
»Wir kommen«, sagte ich und legte den Hörer auf. »Vielleicht kann uns Horcombe die Lösung manches Rätsels geben. Er scheint inzwischen gargeschmort zu sein. Er verlangt nach uns.«
»Dann wird er wohl aussagen wollen«, meinte der Chef.
»Hoffentlich«, knurrte Phil.
***
»Hallo, Horcombe!« sagte ich, als wir seine Zelle betraten.
Er sprang auf. Die Nelke war verwelkt. Der Smoking war zerknautscht. Horcombe hatte dunkle Schatten um die Augen, Bartstoppeln am Kinn und die schwarze Schleife aufgebunden am Halse hängen.
»Endlich!« rief er.
»Was heißt endlich?« fragte ich in gespieltem Staunen. »Haben Sie denn nach uns verlangt? Oder wieso?«
»Seit Stunden brülle ich mir die Kehle heiser, daß ich mit Ihnen beiden sprechen möchte!«
»Davon hat man uns aber nichts gesagt«, murmelte Phil.
»Diese Abwehrhalunken!« schimpfte Horcombe. »Deswegen will ich ja auch nicht mit denen reden! Die drehen einem doch das Wort im Munde um! Wie die mich heute aufs Kreuz gelegt haben! Dieser sogenannte Zeuge! Dem steht doch das Wasser bis zum Hals! Der würde doch jeden Meineid schwören, um diesem Cumberland einen Gefallen zu tun! Haben Sie denn das nicht gemerkt?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich zweifelnd.
»Aber klar! Der Abwehr ist ein Mann umgelegt worden! Jetzt suchen sie einen Sündenbock, dem sie den Mord in die Schuhe schieben können, weil sie den Richtigen nicht haben! Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht! Die lassen mich glatt auf dem Elektrischen Stuhl braten, obgleich sie genau wissen, daß ich es nicht war!«
Ich hielt ihm die Zigarettenschachtel hin, um seinen Redefluß zu stoppen. Er bediente sich gierig.
»Hören Sie zu, Horcombe«, sagte Phil, während ich dem Gangster Feuer gab. »Wir sind nicht mit der Abwehr verheiratet, und wir haben unsere eigenen Sorgen. Jeder ist sich selbst der nächste…«
Ich hätte beinahe gegrinst. Phil gab genau die Phrasen von sich, die Leute wie Horcombe verstehen. Wenn irgendwo in der Welt einer trompetet, jeder wäre sich selber der Nächste, will er damit gewöhnlich
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