0276 - Ghouls in der Stadt
diese Löcher zu erweitern, hatte sich niemand gemacht, weil ohnehin niemand so recht an Ghouls glauben wollte – allen Beobachtungen und Zeugenaussagen zum Trotz.
Nur Nicole und Zamorra glaubten daran – und vielleicht hatte Zamorra inzwischen daran glauben müssen …
Nicole hatte sich einen kleinen Klappspaten besorgt und begann jetzt zu graben. Von oben war lockere Erde nachgerutscht, darunter begann der festgestampfte Teil – aber er war von unten her festgestampft und abgedichtet worden, das bemerkte sie deutlich, weil das Erdreich nach unten hin immer fester wurde. Sie grub langsam und gleichmäßig, um ihre Kräfte nicht gleich zu Anfang in einem unsinnigen Kraftakt zu vergeuden.
Sicher, sie hätte einen der hier postierten Polizeibeamten um Hilfe bitten können. Aber wozu? Vielleicht, sogar wahrscheinlich hätte man ihr diese Art Hilfe verweigert. Denn wer rechnete denn auch damit, unter einem Erdloch auf einen Gang zu stoßen?
Niemand außer den Eingeweihten.
Schon nach kurzer Zeit gab der Boden nach. Der zustoßende Spaten sauste ins Leere. Jetzt brauchte Nicole die Öffnung nur noch zu erweitern. Das Erdreich bröckelte förmlich unter ihren Füßen weg, und vorsichtig ließ sie sich in die Tiefe rutschen. Den Spaten behielt sie bei sich. Es konnte durchaus sein, daß sie sich wieder mal freischaufeln mußte, und dann ging das mit dem Werkzeug wesentlich besser als mit den bloßen Händen. Und notfalls konnte man ihn auch noch als Waffe benutzen.
Ein Höhlengang tat sich vor ihr auf, in den sie hinabrutschte. Er verlief zunächst gerade so schräg, daß man mit etwas Mühe wieder hinaufklettern konnte, und wurde dann etwas waagerechter. Er war nur so hoch, daß Nicole in gebückter Haltung gerade eben gehen konnte, ohne auf die Knie niedergehen zu müssen. Ein schmaler Stollen, an dem sie rechts und links mit den Schultern anstieß.
Sie sah nach oben zurück. Über der Schachtöffnung wurde es immer dunkler. Die Nacht kam. Nicole erschauerte unwillkürlich. Wenn sie hier in dem Gang von einem Ghoul überrascht und angegriffen wurde, hatte sie nur wenig Chancen. Zumal die Möglichkeit, auf die Ghouls zu treffen, jetzt bei Nacht noch größer war als am Tage.
Und da waren sie schon gefährlich gewesen …
Nicole knipste die Taschenlampe an. Sie hatte die beiden Pistolen und den Ju-Ju-Stab bei sich, das mußte eigentlich reichen. Sie bewegte sich vorwärts. Das niedergebeugte Gehen strengte an. Aber sie hoffte, daß der Gang sich ab einer bestimmten Tiefe erweitern würde. Die Ghouls waren körperlich größer als Menschen, und Nicole konnte sich nicht vorstellen, daß sie sich selbst hier unten in ihrem Reich so sehr beschränkten.
Aber die Richtung stimmte nicht.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß dieser zufällig gewählte Gang sie nicht zum Zentrum, sondern von dort fort brachte.
***
Pierre Devon war unruhig. Er dachte über die Worte der schönen Nicole Duval nach, daß der Deutsche in Gefahr sei. Und dann war es gleichzeitig auch Yvonne, die ihn mitgenommen hatte. Yvonne wohnte in Imphy. Dort hatte Pierre sie in der Discothek kennengelernt. Aber ihm war, als wäre die Bekanntschaft mit diesem Mädchen schon weit mehr als eine Disco-Bekanntschaft.
Und das lag bestimmt nicht nur an der gemeinsam verbrachten Nacht und auch nicht an dem gemeinsamen Erlebnis. Es war mehr.
Er machte sich Sorgen.
Yvonne hatte sich zwischendurch nicht mehr gemeldet. Er wußte ihre Adresse und die Telefonnummer, und er war davon überzeugt, daß sie nicht einfach wieder in der Menge untertauchen würde. Sonst hätte sie ihm diese Adresse ja auch erst gar nicht gegeben. Er zog das Telefon zu sich herüber und begann an der Wählscheibe zu drehen.
Nach einer Weile meldete sich Yvonne.
»Ich dachte schon, es sei euch etwas passiert«, sagte Pierre.
»Warum? Was kann denn schon passieren?« fragte Yvonne. »Neubecker ist schon wieder auf der Walz, und ich wollte mich gerade in den Wagen setzen und losdüsen. Ist irgend etwas?«
»Paß gut auf dich auf«, sagte Pierre. Er erzählte von Zamorra, Nicole und dem Überfall auf offener Straße. »Am liebsten wäre mir, wenn du daheim bliebest und ich zu dir kommen würde.«
»Nun übertreib mal nicht«, wehrte Yvonne ab. »Ich habe doch schon Zahnbürste und Negligé eingepackt. Meinst du, das schmeiße ich jetzt alles wieder aus der Tüte ’raus? In einer halben Stunde klingele ich an deiner Tür. Bis dann.«
Es klickte in der Leitung. Langsam ließ
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