0276 - Irrweg durch die Zeit
recht?"
„Was im besonderen haben Sie im Auge?" fragte Barnard, immer noch aggressiv, aber in gemessenerem Tonfall.
„Das ist ganz einfach", gab Gerry zurück. „Die CREST erwartet Hilfe. Die beiden Woolvers haben das Flaggschiff hier verlassen, und selbst der Dümmste an Bord kann sich ausrechnen, daß wir hier zuerst suchen werden. Ich bin sicher, daß man einen Hinweis hinterließ. Diesen Hinweis müssen wir finden, dann wissen wir, was weiter zu tun ist." Er wandte sich ab, als wäre die Sache damit für ihn erledigt. Aber dann schien ihm noch etwas einzufallen. „Und, Barnard..."
„Ja?"
„Was für Nachrichten die CREST auch immer hinterlassen haben mag - sie hat sie dort hinterlassen, wo jeder vernünftige Schiffsoffizier nach ihnen suchen würde. Ein paar tausend Kilometer über der Photosphäre von Redpoint-1."
Barnard richtete sich steil auf und stand so steif, als hätte er einen Stock verschluckt. Er war so bleich, daß Rog befürchtete, er würde im nächsten Augenblick bewußtlos umfallen.
Aber Barnard hatte sich in der Gewalt, Mit einer exakten Kehrtwendung fuhr er herum. „Lytie!"
„Jawohl, Sir!"
„Kommen Sie, wir gehen!" Dicht gefolgt von seinem Adjutanten verließ er den kleinen Konferenzraum.
Rog sah ihm eine Weile nach, dann hörte er Gerry den Atem zwischen den Zähnen hindurchstoßen. Er schloß das Schott und wandte sich dem Tisch zu.
Gerry fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
„Dieser Bursche wird uns noch eine Menge Schwierigkeiten machen", sagte er verärgert.
*
Die Suche nach dem Hinweis, den die CREST nach Gerald Snigerts Meinung hinterlassen hatte, erwies sich als äußerst umständlich. Die DINO-3 begann, Redpoint-1 auf spiralförmiger Bahn zu umkreisen, so, daß sie im Laufe der Zeit jedem beliebigen Quadratkilometer der gewaltigen Sonnenoberfläche nahe genug kommen würde, um mit Sicherheit zu entdecken, was auch immer dort verborgen sein mochte.
Gerry schätzte die Dauer der Suche auf nicht weniger als acht Wochen. Rogs Optimismus, daß die Nachrichten von der CREST an so auffälliger Stelle hinterlassen worden seien, daß sie im Laufe weniger Stunden gefunden werden müßten, legte sich rasch. Er fing an, sich Gedanken darüber zu machen, was für ein Ereignis das Flaggschiff zum Verlassen des Redpoint-Systems veranlaßt haben könne, und die Resultate waren alles andere als vielversprechend.
Gesetzt den Fall, die CREST hätte Redpoint aus eigenem Antrieb verlassen - zum Beispiel, weil sie einen aus irgendeinem Grunde günstigeren Standort beziehen wollte - dann wäre die Nachricht wirklich so hinterlassen worden, wie er es sich zunächst vorgestellt hatte, offen und leicht auffindbar. Das war jedoch nicht der Fall. Als einzige Erk lärung dafür bot sich an, daß der Abflug der CREST nicht aus eigenem Antrieb erfolgt war. Es gab eine Menge denkbarer äußerer Anlässe, die das Flaggschiff hätten vertreiben können, aber nur einer klang Rog plausibel genug.
Die Lemurer hatten das Versteck entdeckt. Es war müßig zu fragen, wie ihnen das gelungen war. Die Lemurer und ihre Verwandten, die Tefroder, waren ernstzunehmende Gegner. Sie waren Menschen, Terraner - auch wenn sich die politische Terminologie der Realzeit zur Gewohnheit gemacht hatte, als Terraner nur die Nachfahren jener zu bezeichnen, die die Katastrophe des lemurischen Untergangs auf dem Heimatplaneten überlebt hatten. Das Gehirn eines Lemurers war ebenso umfangreich, sein Verstand ebenso reich an Einfällen und Tricks und sein Gehabe ebenso impulsiv und draufgängerisch wie das eines Terraners.
Von dieser Warte aus betrachtet, war es nicht mehr verwunderlich, daß das Versteck der CREST endlich entdeckt worden war. Vielleicht war es lemurischen Einheiten gelungen, die zwei Raumjäger zu verfolgen, die nach Redpoint zurückgekehrt waren, nachdem sie Rakal und Tronar Woolver auf Kahalo abgesetzt hatten. Vielleicht hatten sie auch eine andere Spur gefunden. Das stand jetzt nicht zur Debatte.
Die CREST hatte Redpoint nicht aus eigenem Antrieb verlassen. Sie war verjagt worden.
Der Feind kannte das Versteck. Jede Nachricht, die die CREST hinterließ, mußte daher so geschickt verborgen werden, daß die Lemurer sie nicht finden konnten. Das erklärte, warum die Suche der DINO-3 nun schon einhundertundvierzig Stunden dauerte, ohne, daß sich auch nur der geringste Erfolg gezeigt hätte.
Rog zerbrach sich den Kopf darüber, ob die hinterlassene Nachricht - er stellte sie sich als eine
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