0277 - Der Tod hat viele Gesichter
Handkantenschlag - und die Besenkammer empfing ihren vierten unfreiwilligen Bewohner.
Die ersten drei lagen immer noch in tiefem Schlummer.
»Herzlichen Dank, meine Damen - das kam gerade noch zur rechten Zeit«, bedankte sich Neville galant. »Wer war eigentlich meine Retterin?«
Er machte große Augen, als ein schüchternes blasses Mädchen sagte: »Ich, Sir.«
Es klang so, als wäre sie in der Schule bei etwas Ungehörigem ertappt worden.
Die Situation war so komisch, dass selbst einige der Gefangenen lachen mussten.
Dadurch löste sich die Spannung, unter der sie seit Stunden standen.
Alle wollten auf einmal reden und ihrem Retter danken. Neville winkte energisch ab.
Er bedeutete den Mädchen, sich ganz ruhig zu verhalten.
Dann verließ er das Wohnzimmer, schloss die Tür hinter sich ab und steckte vorsichtshalber den Schlüssel in die Tasche.
Die übrigen Räume im ersten Stock waren leer. Auch im Erdgeschoss fand er keine Menschenseele.
Die Räume unten waren ähnlich angeordnet wie im Obergeschoss.
Sie lagen U-förmig um einen großen Innenhof.
Eine Seite nahm das Wohnhaus ein, in dem er sich jetzt befand, die beiden anderen Abgrenzungen bildeten schmucklose einstöckige Gebäude ohne Fenster - offensichtlich verlassene Fabrikräume.
Der Hof war ungepflastert und wies frische Spuren vieler großer Autoreifen auf.
Eine übermannshohe Mauer schloss den Hof zur Straße hin ab.
Das windschiefe Tor darin war geschlossen.
Erst jetzt bemerkte Neville die beiden Männer, die entlang der Wand patrouillierten.
Sie schienen sich sehr sicher zu fühlen, denn sie unterhielten sich ungeniert.
Neville drückte sich in die Türnische und überlegte, wie er an die beiden Figuren herankommen könnte.
Der Hof hatte eine Breite von mindestens sechzig oder siebzig Yard, die Neville unmöglich ungesehen überqueren konnte.
Bei Nacht wäre es vielleicht möglich gewesen, aber am hellen Mittag - ausgeschlossen.
Er beobachtete eine Weile den Weg der beiden. Sie gingen von der linken Ecke der Umfassungsmauer zur rechten und wieder zurück. Immer den gleichen Weg, und unerreichbar für Neville.
Wenn man sie irgendwie ablenken könnte…
Neville drückte den Türspalt vorsichtig wieder zu und ging hinauf zu den Mädchen, die sich jetzt gefasst und ruhig verhielten.
»Ich muss Sie noch einmal um Ihre Hilfe bitten«, sagte er. »Es ist nicht gefährlich, aber…«
Eine resolut aussehende Frau von etwa dreißig Jahren sagte: »Es ist selbstverständlich, dass wir tun, was Sie uns sagen, Mr....«
Neville stellte sich nachträglich vor und nannte das FBI als Absender.
Die Stimmung unter den Gefangenen stieg beträchtlich, als sie hörten, dass sie sich jetzt unter dem Schutz des FBI befanden.
»Okay. Passen Sie auf. Unten auf dem Hof sind noch zwei weitere Männer, die ich unschädlich machen muss. Sie gehen an der Innenseite der Umfassungsmauer auf und ab, wo ich sie nicht erreichen kann. Eine von ihnen muss sie ins Haus locken. Wer will das übernehmen?«
Mindestens die Hälfte der Mädchen hoben sofort die Hand.
Neville winkte ab. Eine Freiwillige genügte ihm.
Er erklärte, wie sie sich verhalten sollte. Die Damen schienen Spaß daran zu haben.
Zwei Minuten später hallte ein lauter Hilferuf über den Hof.
Neville stand unten hinter der Tür und wartete darauf, ob er einen der Wächter oder noch besser beide damit anlocken könnte.
Einen Augenblick später wiederholte sich der Hilferuf, nur diesmal verzweifelter und dringender.
Er schmunzelte. In jeder Frau steckt doch eine Schauspielerin, dachte er.
Dann lauschte er wieder, alle Muskeln angespannt, auf die Schritte der Wächter.
Er beugte sich dabei zu weit nach vorn und konzentrierte sich ganz auf die Geräusche auf dem Hof, so hörte er nicht, was sich hinter ihm abspielte.
Den dritten Hilferuf, der sehr echt klang, hörte er nicht mehr. Er bekam von hinten einen Hieb über den Kopf. Es wurde Nacht um ihn.
***
Später erfuhr er, dass sich seine vier Gefangenen gegenseitig befreit hatten und schon hinter der Wohnzimmertür standen, während er den Mädchen seinen Plan auseinandersetzte.
Sobald er das Zimmer verlassen hatte, hielten zwei der Männer die Mädchen in Schach, die anderen beiden schlichen ihm nach und schalteten ihn aus.
***
Neville hatte, ohne es zu wissen, Glück im Unglück. Denn draußen auf der Straße blieben in diesem Augen-34 blick zwei Gestalten stehen, die genauso aussahen wie die vielen anderen Festteilnehmer, die an
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