0279 - Der Zauberer von Venedig
schlug Professor Zamorra vor. »Sie haben uns noch nicht erspäht. Vielleicht gelingt es uns, an ihnen vorbeizuschleichen, ohne daß sie uns bemerken!«
»Das könnte gehen!« nickte Carsten Möbius. »Deine Ideen und Rothschilds Geld…!«
»Lieber Rothschilds Geld. Damit Nicole unbesorgt weiter Textilien einkaufen kann!« versuchte Professor Zamorra einen Scherz. Inzwischen zog der Junge mit dem langen Haar die Tarnkappe des Nibelungen wieder hervor.
»Nacht und Nebel - niemand gleich!« flüsterte es von seinen Lippen. Im nächsten Moment war, er und Professor Zamorra unsichtbar. Der Meister des Übersinnlichen übernahm die Führung. Den Körperkontakt mit den Händen haltend, schlich er sich halb geduckt aus dem Versteck. Sorgsam hob er die Füße, um nicht gegen einen Stein zu stoßen und dadurch Geräusche zu erzeugen. Carsten Möbius folgte seinem Beispiel.
Langsam und allmählich gingen sie vorsichtig zum Ausgang des Arsenals. Der große, zweiteilige Triumphbogen, ein wundervolles Meisterwerk der venezianischen Frührenaissance, wies ihnen den Weg. Dieser offene Bogen war über dem Kanal gebaut, der zu der mittelalterlichen Werft führte, wo einst die Galeonen der Seemacht Venedig gebaut wurden. Heute fährt eine Linie der Vaporetto, eine Barkasse des öffentlichen Nahverkehrs, quer durch dieses Becken.
Professor Zamorra legte warnend den Finger auf den Mund und auf die linke Brust. Carsten Möbius verstand ohne Worte. Wie Professor Zamorra atmete auch er ganz flach. Wer wußte denn, wie gut der Gehörsinn der Monster ausgeprägt war? Das Wummern des Herzens erschien Möbius wie die dröhnende Stimme einer Kesselpauke.
Die Monster schlichen über die ganze Fläche des Arsenals. Sie schienen keinen besonderen Auftrag zu haben. Doch irgend etwas suchten sie.
Und Professor Zamorra wußte ganz genau, was sie suchten. Leben. Menschliches Leben. Er hoffte inständig, daß es den Werftarbeitern auf den anderen Baustellen gelungen war, den unheimlichen Wesen zu entkommen.
So gelang es Zamorra und Carsten, fast dreihundert Meter zu überbrücken, ohne in die direkte Nähe der Ungeheuer zu gelangen. Doch dann sank die Waage des Glücks…
Ein Rudel von ungefähr zwölf Monstern mit Eidechsenleibern und Hyänenköpfen kreuzte ihren Weg zum Ausgang des Arsenals. Hinter ihnen tappten drei unförmige Ungeheuer mit dem massigen Körper eines Nilpferdes, der von einer Parodie auf einen menschlichen Schädel gekrönt war. Ein Auge auf der Stirn blickte stupide über die Weite des Arsenals, im Rachen mahlten zwei Schneidezähne wie grobe Meißel aufeinander.
Professor Zamorra erkannte, daß sie nicht mehr ausweichen konnten. Sie mußten allen Mut zusammennehmen und sich zwischen den Monstern hindurchschleichen.
Ein kurzer Druck mit der Hand bedeutete Carsten Möbius stillzustehen. Ein weiteres Zeichen ließ ihn zu völliger Regungslosigkeit erstarren.
Professor Zamorra hielt den Atem an, während die Bestien immer näher schlichen. Noch gab es kein Anzeichen, daß sie erkannt worden waren. Denn wenn sie nicht von der Wirkung der Tarnkappe betroffen waren, hätten die Monster schon eine Treibjagd auf sie veranstaltet.
Die Schakalechsen stießen Zischlaute aus, während die Monster mit den Nilpferdkörpern vor sich hin kollerten. Stumpfsinnig pendelten die Schädel auf dem massigen Rumpf.
Einige Herzschläge später waren die beiden unsichtbaren Menschen inmitten der Bestien, die scheinbar planlos über das Arsenal trotteten. Fast wollte Professor Zamorra befreit aufatmen, als eins der Schakalechsenwesen in seiner Bewegung erstarrte. Der Schädel fuhr empor und begann zu wittern. Sofort wurden auch die anderen Bestien aufmerksam. Ein Zischen wie aus einem Nest voll Kobras war zu hören, als die Ungeheuer die Nasen hoben und die fremdartigen Gerüche einsogen.
Dann pendelten die Schädel herum. Professor Zamorra wußte, daß sie nun entdeckt waren. Die Ungeheuer sahen sie nicht… Aber sie witterten ihre Opfer.
Und die beiden Menschen standen mitten im Kreis der Ungeheuer…
***
»Ich werde deine Worte meinem Gebieter überbringen!« sagte Phieco, der Dämon, langsam. »Doch wer garantiert dafür, daß Amun-Re sich nicht mit Zamorra verbündet hat?«
»Hat der Hai in den Tiefen des Meeres Freunde? Wird der Löwe, wenn er hungrig ist, sein Opfer verschonen?« war die Gegenfrage des Monsters mit dem Kaninchenschädel. »Mein Herr ist wie der Hai oder wie der Löwe. Doch mag er es, wenn man ihm die Beute
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