0279 - Der Zauberer von Venedig
füreinander gewisse Sympathien entwickeln.
Immer wieder mußte sich Zamorra daran erinnern, daß Asmodis eigentlich ein Teufel war. Und Insgeheim ließ der Fürst der Finsternis auch bei eindeutigen Situationen immer ein Schlupfloch in seinen Netzen, durch das Zamorra einigermaßen unbeschadet sich dem Zugriff der Hölle entziehen konnte. Nicht immer gelang es ihm, die Tatsache, daß der große Gegner mal wieder entkommen war, anderen Dämonen in die Schuhe zu schieben.
Asmodis vertraute auf seine Schlauheit, als er dem Lucifuge Rofocale übertrieben für das erwiesene Vertrauen dankte.
Dann streckte er die beiden Arme empor. Zischend fuhr er durch die Decke vom Refugium des Lucifuge Rofocale.
Niemand nahm auf der Piazza San Marco den Mann im schwarzen Anzug zur Kenntnis, der auf dem rechten Bein leicht hinkte und in Richtung des Dogen-Palastes davonhumpelte…
***
»Leben wohnt in diesem Schlamm. Die Urzelle des Lebens ist in ihm. Und Leben beschwöre ich daraus hervor!« flüsterte Amun-Re, während seine feingliedrigen Finger seltsame Gelenke schufen, die er an einem gedrungenen Körper ansetzte, der dem Rumpf eines Walrosses glich. Acht Kreaturen hatte Amun-Re bereits aus dem Schlamm der Lagune geformt. Mit seltsamen Verrenkungen standen sie vor ihm auf dem Tisch seines Refugiums. Die Knochen bildeten die halb verdorrten Äste, während die Körpermasse aus dem grauen Schlamm geformt war, den Amun-Re teilweise mit Erdfarben leicht bemalte. Glitzernde Muscheln dienten als Augen, während für die Zähne verschiedene Dinge eingesetzt waren, die Amun-Re bei nächtlichen Streifzügen in den Gassen von Venedig fand oder die ihm der Patriarch zukommen ließ. Der Rachen eines Monsterwesens war gespickt mit halb abgebrochenen, rostigen Rasierklingen, während das Maul eines anderen Ungeheuers mit dem echten Gebiß eines Tigerhais, das Amun-Re auf einer Müllhalde gefunden hatte, versehen war. Die Spitzen von zerbrochenen Küchenmessern hatte Amun-Re genauso in seine abnormen Wesen eingesetzt wie scharfkantig zugehauene Kieselsteine.
Bei der Creation der Monster hatte sich der Herrscher des Krakenthrones keine bestimmten Vorbilder genommen. Die Wesen sollten so abnormal aussehen, daß es niemand auch nur wagen würde, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Er wußte, daß es gegen die Armee der Monster keine Gegenwehr gab. Doch war es ihm am liebsten, wenn die Opfer vor Grauen niedersanken und die Ungeheuer leichtes Spiel hatten.
In den oberen Räumen des Palazzo standen sie bereit - die Monster von Amun-Re. Ohne Empfindungen und Gewissen. Bereit, dorthin zu gehen, wohin es der Meister befahl. Und seine Befehle auszuführen.
Befehle, die »Tod« lauteten.
Auch diese Monsterwesen würden seine Heerscharen verstärken. Gewiß geschah es, daß manchmal die eine oder andere Figur mißlang, doch im Kampf gegen Sterbliche ohne geeignete Waffen würden sich alle Monsterwesen als stärker erweisen.
Einen kurzen Moment dachte er daran, daß er einer Einheit seiner Ungeheuer den Weg in die Stadt ermöglicht hatte, um festzustellen, welche Wirkung sie auf die Bevölkerung hatten. Zur nächsten Nacht würden sie zurückkommen und mit ihren Taten prahlen.
Einen davon hatte Amun-Re mit überdurchschnittlicher Intelligenz ausgestattet, und er hoffte, daß dieses Wesen einen der Dämonen vom Schwarzen Blut zu fassen bekam. War auch das Bündnis mit der Hölle für die Pläne von Amun-Re eigentlich nebensächlich - vielleicht konnte man diesen Asmodis und Zamorra so aufeinanderhetzen, daß beide auf der Strecke blieben.
Amun-Re ahnte nicht, daß sich sein gefürchteter Gegner derzeit in Venedig aufhielt, um auf der Glaskunstinsel Murano das Duplikat eines Dhyarra-Kristalles hersteilen zu lassen. Für ihn sollte Venedig die Ausgangsbasis für einen Eroberungszug werden, der ihm schlußendlich die Weltherrschaft einbrachte.
Für den Herrscher des Krakenthrones begann nun der schwierigste Teil der Arbeit. Er mußte der toten Materie Leben einflößen.
Mit einigen Handgriffen vergrößerte er die Flamme, die unter dem birnenartigen Gefäß lohte und eine grünliche Flüssigkeit zum Kochen brachte. Auch in verschiedenen anderen seltsam geformten Glasgefäßen kochte und brodelte es. Fremdartige Gerüche durchzogen den Palazzo. Nur einem Zauberer wie Amun-Re machte es nichts aus, diesen Gestank zu ertragen. Denn es war ein Pesthauch, wie er von einem monatealten Schlachtfeld ausgeht, wenn die Leichen der Gefallenen unbestattet
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