0279 - Der Zauberer von Venedig
Geschäft verdorben hatte. Dieser Mann gehörte zu den Narren, die damals mit Asmodis mehr im Scherz einen Pakt eingegangen waren.
Den Rat des Parapsychologen, ein anständiges Leben weiterhin zu führen, hatte dieser Herr nicht beherzigt. Eiskalt und skrupellos war er weiterhin seinen Geschäften nachgegangen. Für Geld und Besitz hatte er seine Mitmenschen zugrunde gerichtet. Geld, das war der Gott, zu dem er betete. Und für Geld ging er über Leichen.
Asmodis zweifelte nicht, daß auch ohne den ominösen Pakt diese Seele sprichwörtlich zum Teufel gegangen war.
Doch wenn er schon mal hier war, warum sollte er nicht selbst mal wieder das höllische Bruttosozialprodukt steigern?
Schon erschien, für die Schaulustigen unsichtbar, eine düstere Gestalt über dem Sterbenden. Aus schwarzwallender Gewandung blinkte bleiches Gebein. Ein Totenschädel grinste, während die knochige Rechte wie zum Hohn dem am Boden liegenden dicken Mann -ein Stundenglas zeigte, durch das eben die letzten Sandkrumen rannen.
»Lassen Sie mich durch. Ich bin Arzt!« schob Asmodis die Menge beiseite. Er mußte schnell dran sein. Wenn der Tod erst mal eingetreten und die Seele aus dem Körper entwichen war, konnte es eine wilde Jagd geben. Nichts aber haßte der Fürst der Finsternis mehr als Arbeiten, die vermeidbar waren. Dann hätte er die Seele von niederen Dämonen jagen lassen müssen.
»Ein Dottore. Ein Dottore!« murmelte es ringsum. »Ruft auch einen Geistlichen! Er soll die Sterbesakramente erhalten!«
Das fehlte gerade noch! dachte Asmodis. Wenn jetzt einer von der Gegenseite erscheint, gelingt es ihm vielleicht noch, uns die Seele dieses gewissenlosen Geschäftsmannes abzujagen.
Hoffentlich ist nicht gerade ein Pfaffe in der Nähe!
Laut aber sagte er: »Aufregung bringt den Patienten sofort um. Und er wird sich aufregen, wenn er einen Geistlichen sieht. Dann wird er glauben, tatsächlich sterben zu müssen… !« Gleichzeitig versuchte er, der Knochengestalt einen Wink zu geben, die Sache möglichst abzukürzen. Doch der Tod wartete, bis das letzte Sandkorn verronnen war. Dann hob er, ungesehen von den Menschen, die Sense und ließ sie im Kreisbogen herabsausen.
Sofort entfloh das Leben aus dem Körper des Dicken.
»Exitus!« hörten die Menschen auf der Piazza San Marco die Stimme von Asmodis. »Ihm war nicht zu helfen!«
»Da sind wir wieder!« vernahm die entweichende Seele die Stimme des Teufels. »Somit kann der kleine Ausflug noch mit geschäftlichen Dingen verbunden werden. Halt da… Mir entkommst du nicht!«
Keiner der sich langsam zerstreuenden Schaulustigen hatte zur Kenntnis genommen, daß der falsche Arzt dem Toten mit einer Handbewegung über den Mund wischte und seit dieser Zeit diese Hand fest zusammengeballt hielt. Woher sollten sie auch ahnen, daß sich in dieser Hand eine verdammte Seele verzweifelt bemühte, dem Griff des Teufels zu entkommen?
»War wohl zu heiß für deinen sterblichen Körper!« redete Asmodis leutselig mit der jammernden Seele. »Na, da unten wird’s auch nicht angenehmer sein. Nur, daß es da unten keinen Herzinfarkt gibt und du dich von dort nicht in der gleichen Art davonmachen kannst. Bei uns dauern die Qualen eine ganze Ewigkeit. Sie werden dir schon ein gemütliches Plätzchen in kochendem Schwefel anweisen…!«
Heulend bat die verdammte Seele um Gnade.
»Na, du hast Nerven!« sagte Asmodis verwundert. »Hast du denn Gnade gezeigt, als du eine unrentable Fabrik geschlossen hast und die Leute von einem auf den anderen Tag ohne Existenz waren? Oder als du damals das Geschäftsguthaben deines Partners verspekuliertest und sich dieser eine Kugel durch den Kopf jagte? Keine Angst - die Selbstmörder haben eine Sektion für sich in der Hölle. Du wirst ihn dort nicht wiederfinden. Aber ansonsten ist es bei uns wie im irdischen Geschäftsleben. Es ist einer dem anderen sein Teufel…!«
Mit diesen Worten fuhr Asmodis, die heulende Seele umkrallt, hinab in das Reich der Schwefelklüfte…
***
»Es ist unmöglich, einer Behörde etwas klarzumachen!« zuckte Professor Zamorra die Schultern. Gemeinsam mit Pater Aurelian gingen sie die Treppe des Palazzo Loredan hinab, wo die Municipio, die Stadtverwaltung, untergebracht war. Vergeblich hatten sie sich bemüht, den Bürgermeister von Venedig zu sprechen und ihn auf die Gefahr aus den Kanälen aufmerksam zu machen. Denn die beiden Freünde waren sich einig, daß dieser Angriff bald eine großangelegte Offensive nach sich ziehen
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