028 - Die Kapuzenmaenner
ihrem Zimmer, um sich einen Umhang zu holen und war dann wieder die Treppe hinuntergegangen. Paul hatte vom Fenster aus beobachtet, wie sie aus dem Haus schlüpfte und den Weg zum Dorf hinunterrannte. Er versuchte, den Mut zu finden, um mit Campion zu reden. Er atmete auf, als er hörte, wie sich Campions Tür öffnete und wieder schloß. Es klopfte leise und Campion trat ein.
Paul nahm den Kerzenleuchter hoch. „Es ist gut, daß du kommst. Ich möchte dir das Familiengeheimnis zeigen. Viele reden nur davon, aber wir haben wirklich eines.“
Er führte Campion nach hinten ins Haus. Vor einer Tür hielt er an und atmete tief, als ob er seinen ganzen Mut zusammennehmen müsse. Campion öffnete die Tür für ihn und trat dann zur Seite. Eine enge, schmale Treppe führte nach oben. Campion folgte Paul die Treppe hinauf zu einer Dachkammer. Einst hatte sie wohl als Schlafzimmer gedient, heute benutzte man sie als Abstellkammer für Kisten, Koffer und alle möglichen Möbelstücke.
Paul ging zu einer großen Holztür neben der Treppe. Er stellte den Kerzenleuchter ab und begann an einem Holzstück zu zerren, das mit zwei eisernen Haltern auf beiden Seiten der Tür befestigt war. Campion half ihm dabei. Sie lehnten das Holz gegen die Wand, und Paul nahm einen Schlüssel von einem Pflock. Campion kniete nieder, um sich das Eisen anzusehen, in das die Tür eingelassen war. Es war mit kabbalistischen Zeichen bedeckt. Er wandte sich an Paul. „Ich habe so etwas noch nie in Wirklichkeit gesehen.“
„Es soll angeblich das Böse nicht herauslassen, aber es funktioniert nicht“, sagte Paul kurz. „Dahinter ist die private Hölle der Dillons. In jeder Generation verbringt ein Familienmitglied jedes Jahr dreizehnmal sieben Nächte hier.“ Er stieß die Tür nach innen auf. Dahinter öffnete sich eine dunkle, klaffende Höhle der Finsternis. Es war, als ob das Licht sich weigerte, in den Raum zu dringen.
Campion hatte immer geglaubt, daß Furcht in heißen und kalten Wellen käme und den Magen umdrehte. Aber hier spürte er den eiskalten Schauer des Bösen, spürte eine Kälte, die kälter war als kalt, die bis ins Mark der Knochen, bis ins Innerste der Seele eines Mannes drang, das Grauen atmen und die Kerzen flackern ließ. Dazwischen lag nur eine prosaische Tür, um die Höhle zu verstecken, die dem Magen eines scheußlichen Monsters glich.
Paul hielt an der Schwelle, um seinen Mut zusammenzunehmen. Dann ging er in die Mitte des Raumes und hielt den Kerzenleuchter hoch.
Mauern und Boden bestanden aus dicken Planken, schwer und vom Alter aufgeworfen. Der Raum war quadratisch und unmöbliert. In einer Ecke lag ein Haufen Stroh. Ganz oben, dicht unter der hohen Decke war ein kleines, vergittertes Fenster. Diese Zelle schien ein Ort der absoluten Isolation zu sein.
„Die Wände bestehen aus zwei Lagen Holz, mit einer dünnen Eisenplatte dazwischen, genau wie die Tür“, sagte Paul.
Campion schaute in sein weißes Gesicht. „Wofür ist das, Paul?“
„Das Eisen ist dazu da, um festzuhalten, Eric.“
In Pauls Augen glitzerte etwas Rotes, und ein dünner Faden Speichel lief aus seinem Mundwinkel. Zum erstenmal sah Paul irr aus und benahm sich auch so. Es konnte Angst sein, Angst vor dem einsamen Raum und vergangenen Erfahrungen darin. Die Veränderung in dem jungen Mann kam so plötzlich, daß er nicht wagte, weiter in ihn zu drängen.
„Dieser Raum wurde für minderwertige Dillons gebaut. Er ist unser Geheimzimmer, der Platz, wo wir die verstecken, die in Ungnade fallen. Nicht alle unsere Schandflecke leben im Ort. Wenn die Zeit da ist, ist dies der einzige Ort, wo man uns unter Kontrolle halten kann. Man muß uns hier einschließen, weil wir sonst in die normale Welt hinausrennen und entdeckt werden.
Weißt du, wie weit ein Wolf in einer Nacht rennen kann? Was er einem Unschuldigen antun kann, wenn ihn die. Lust nach warmem Blut überkommt? Deshalb ist die Tür in Eisen eingelassen.“ Er kicherte irr. „Wir sind seit dem vierzehnten Jahrhundert so, einer in jeder Generation. Und das ist auch der Grund, warum Valerie dich nicht heiraten wollte.“
„Geisteskrankheiten sind nicht alle erblich, Paul. Der Mensch wählt sich seine eigene Geisteskrankheit und seine private Hölle selbst.“
„Es gibt eine Form der Geisteskrankheit, die liegt in den Genen und Drüsen eines Mannes, nicht im Verstand. Du, vor allen anderen, solltest das wissen, Eric.“
Die Kerzen flackerten leicht im Luftzug. Campion
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