028 - Zimmer 13
die verschlossene Tür zu. »Marney!« rief er leise.
Keine Antwort. Er klopfte an die Tür.
»Marney, komm her! Ich möchte mit dir sprechen. Du brauchst die Tür nicht zu öffnen. Ich will dich nur etwas fragen.«
Stille. Er drückte auf die Klinke - verschlossen.
Er zog die Instrumente aus der Tasche, steckte die dünnen Enden ins Schlüsselloch, bekam den im Schloß steckenden Schlüssel zu fassen und drehte ihn herum. Ahnungsvoll riß er die Tür auf und stürzte ins Zimmer. Es war leer, das Badezimmer gleichfalls. Er lief zur Korridortür. Sie war abgeschlossen, und zwar von außen. Schweiß trat auf seine Stirn. Er eilte zurück in den Salon und hinaus in den Korridor. Das erste Wesen, das er erblickte, war der Zimmerkellner.
»Die gnädige Frau, Sir? Ja, sie ist vor einer Weile hinausgegangen.«
»Hinausgegangen? Sind Sie verrückt? Wohin?« schrie Jeff wütend.
»Ich weiß nicht, Sir. Sie ist eben hinausgegangen. Ich sah sie durch den Korridor gehen.«
Jeff sprang wie ein Verrückter die Treppen hinab. Der Concierge hatte die junge Frau nicht gesehen, ebensowenig die Pagen und der Portier. Jeff eilte auf die Straße hinaus und winkte den Aufpasser heran.
»Aus diesem Eingang ist sie nicht gekommen. Der andere geht auf die Pall Mall hinaus. Dort steht Jimmy Low.«
Doch der Mann am Pall Mall-Eingang hatte sie auch nicht gesehen. Jeff ließ den Geschäftsführer kommen.
»Wir haben nur diese zwei Ausgänge, Sir, es sei denn, die Hintertreppe und der Lieferanteneingang würden benützt.«
»Das verfluchte Zimmermädchen, die Waliserin -«, stieß Jeff hervor. »Wo ist sie? Kann ich sie sprechen?«
»Sie hat sich heute nachmittag dispensieren lassen, Sir«, gab der Geschäftsführer an. »Kann ich etwas für Sie tun? Vielleicht hat die Dame einen Spaziergang machen wollen? Kennt sie London?«
Jeff nahm sich keine Zeit zu antworten, er flog die Treppen wieder hinauf und untersuchte das Zimmer. Der Kleiderkoffer, der, wie er wußte, im Schlafzimmer Marneys gestanden hatte, war fort. Auf dem Boden sah er einen Zettel liegen und hob ihn auf. Er war aus einem Notizbuch herausgerissen worden und enthielt nur einige eilig hingekritzelte Zeilen. Jeffs Augen leuchteten auf, als er sie las. Er steckte das zerknitterte Blatt in die Tasche und ging in den Salon zurück.
»Zimmer dreizehn -«, murmelte er, »Zimmer dreizehn wird heute abend Überraschungen erleben!«
Wenig später erreichte er das Klubgebäude und stand ungeduldig im Aufzug, der ihm nicht schnell genug fuhr. Im dritten Stock stieg er aus und überfiel den Portier mit Fragen.
»Nein, Sir, sie sind noch nicht gekommen. Heute abend ist alles besetzt, Sie haben doch kein Zimmer bestellt? Wir haben über Ihr eigenes verfügen müssen, Mr. Legge hat es so angeordnet. Wir geben es sonst nicht oft ab.«
»Schon gut«, sagte Jeff, »machen Sie sich darüber keine Sorgen. Zeigen Sie mir das Buch!« Er las und nickte. »Schön, jetzt sagen Sie mir, wer schon hier ist.«
»In drei Mr. George Kurlu mit einigen Freunden, in vier Mr. Bob Albutt und die beiden jungen Damen, mit denen man ihn oft zusammen sieht .« Er zählte weiter auf, bis er bei dreizehn anlangte.
»Über dreizehn bin ich genügend unterrichtet«,wehrte Jeff ab.
»Es ist gut. Kümmern Sie sich nicht weiter um mich.«
Er schritt den teppichbelegten Korridor entlang, bog rechts in den Seitengang ein und blieb vor einer Tür stehen, auf deren glattpolierter Füllung eine goldene ›13‹ leuchtete. Er öffnete und trat ein. Auf einem Tisch mit roter Decke standen eine Weinflasche und zwei Gläser.
Es war ein mittelgroßes Zimmer, das mit einem Eßtisch, vier Stühlen, einem Sofa und einem Lehnsessel möbliert war; die eine Wand füllte ein Büfett fast völlig aus. Das Zimmer war voll erleuchtet - sechs Wandlampen und der Kronleuchter über dem Tisch. Jeff schloß die Tür nicht, sondern ließ sie angelehnt. Für sein Vorhaben war es zu hell. Er drehte zuerst die Wandlampen und dann die Birnen des Kronleuchters aus, bis auf eine. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich mit dem Rücken zur Tür und starrte in den leeren Kamin. Nach einigen Minuten hörte er das schwache Summen des Aufzugs und lächelte.
11
»Parker«, sagte Jonny, als er gemächlich seinen Frack anzuziehen begann, »haben Sie jemals einen Menschen umgebracht?«
»Nein, Sir, hab' ich nicht. Als junger Mann überfuhr ich einmal eine Katze. Ich war ein großer Radfahrer in meiner Jugend.«
»Einen Menschen haben Sie
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