0284 - Der Henker und sein Millionär
Vorstellungen von unserer Bruderschaft. Unsere Mitglieder sind keinesfalls registriert, Agent. Wir sind ja kein Verein in der Art eines Kegelklubs. Unsere Gebetsabende finden regelmäßig jede Woche statt. Die Leute wissen das, Sir, sie kommen völlig freiwillig zu uns. Es gibt bei uns nur einen kleinen Mitarbeiterstab, der Briefe beantwortet und Ratsuchende in ihren Wohnungen aufsucht. Darüber hinaus sind uns die Namen einiger Personen bekannt, die unsere Arbeit durch Spenden unterstützen. Der Aufbau der Bruderschaft hat einen großen Teil meines Privatvermögens verschlungen. Heute unterstützt man mich in meinen ideellen Bemühungen. Das zeigt wohl deutlich genug, welche Bedeutung diese Menschen meiner Arbeit beimessen.«
Phil beugte sich vor. »Bestehen Ihrerseits Bindungen an eine bestimmte Konfession, Mr. Pinner?«
»Beileibe nicht, Agent Decker. Bei uns ist jeder willkommen. Wir beten gemeinsam. Bei uns sind alle Rassen und alle Konfessionen vertreten.«
»Auch Farbige?«
»Natürlich, Agent Decker. Sie erscheinen sogar besonders zahlreich zu unseren Versammlungen. Beten und die Pflege der Nächstenliebe, das sind unsere Aufgaben.«
»Sagt Ihnen der Name Charly Kitt etwas, Mr. Pinner?«
»Kitt? Nein, wer soll denn das sein?«
»Ein junger Farbiger, ein Freund von Mr. Castor. Sie besuchten gestern Abend gemeinsam Ihre Versammlung am Shore Boulevard. Seitdem fehlt von Kitt jede Spur. Castors verstümmelter Körper wurde in einem gestohlenen Wagen gefunden.«
»Um Gottes willen«, stammelte Pinner. »Das ist ja entsetzlich. Und deshalb kommen Sie zu mir, Agent Decker?«
»Natürlich, Mr. Pinner. Schließlich bin ich ja mit der Klärung des Verbrechens betraut worden. Castor können wir nicht mehr retten, aber da ist noch dieser Junge, dessen Schicksal völlig ungewiss ist. Beide Männer wohnen in Harlem, Mr. Pinner. Sie stammen also aus Manhattan. Wie kommt es, dass Bewohner aus Manhattan Ihre Brooklyner Veranstaltungen besuchen?«
»Das ist ganz einfach zu erklären. Agent Decker. In Richmond haben wir eine Garage gemietet. Dort finden an jedem Montag die Versammlungen für den Richmond-District statt. Dienstags kommen die Gläubigen des Brooklyn-Districts zum Shore Boulevard, wo wir einen alten Lagerschuppen besitzen. Der Mittwoch ist für Queens reserviert. Auch diese Versammlungen finden am Shore Boulevard statt. Donnerstags ist die Bronx dran. Dort steht uns eine Wellblechbaracke zur Verfügung. Sie liegt in der Nähe der Casanova-Railroad-Station und gehört der New Haven Hartford Railroad Company. Freitags sind wir wieder am Shore Boulevard. Dann kommen die Gläubigen aus Manhattan. Durch diese Aufteilung haben wir bisher die Kosten eingespart, die beim Mieten von Räumlichkeiten in Manhattan und Brooklyn entstehen würden.«
»Mr. Pinner, haben Sie im Augenblick etwas vor?«, fragte Phil.
»Absolut nicht, Mr. Decker. Sie stören mich nicht.«
»Das passt großartig. Ich möchte Sie nämlich bitten, mit uns zum Shore Boulevard zu fahren. Vielleicht können wir dort etwas entdecken, was uns auf die Spur von Charly Kitt führt.«
»Oh«, sagte Pinner, »das kommt mir, ehrlich gesagt, sehr ungelegen.«
»Ach, Sie haben doch etwas vor?«
»Das nicht, aber ich erwarte nachher Besuch. Es handelt sich um eine äußerst wichtige Besprechung. Ihre Bitte kommt zu plötzlich für mich.«
»Das kann ich verstehen, Mr. Pinner. In meiner Eigenschaft als G-man, der mit der Aufklärung des Mordes an John Castor beauftragt wurde, bitte ich Sie, mir den Schlüssel zu dem Schuppen auszuhändigen. Ich bringe ihn Ihnen auf dem Rückweg wieder her.«
Pinner zögerte einen winzigen Moment. Dann nickte er. »All right, Agent Decker. Wir haben die Pflicht, den Sicherheitsorganen unserer Stadt alle Hilfe zuteil werden zu lassen. Ich frage mich nur, was Sie sich von einem Besuch am Shore Boulevard versprechen. Die Versammlung ging gegen 22 Uhr zu Ende. Ich selbst habe den Schuppen abgeschlossen. Wann, so frage ich Sie, soll sich dort etwas abgespielt haben, was das Interesse des FBI erwecken könnte?«
»Woher soll ich das wissen, Mr. Pinner?«, fragte Phil zurück. »Ich will mich nur einmal umsehen, ob Mr. Castors Auto irgendwo in der Nähe steht. Doch wenn ich mir den Weg schon einmal mache, möchte ich auch gern einen Blick in den Schuppen tun.«
Pinner erhob sich und trat wortlos zu einem Wandschrank. Ihm entnahm er einen Schlüsselbund. Er löste davon einen einzelnen länglichen Schlüssel, den er Phil
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