0286 - Briefe aus der Hölle
mitnehmen?«
»Wenn ich gehe.«
Da waren für Bill Conolly völlig neue Perspektiven. »Du willst gehen, Sheila?«
»Ja, ich muß weg.«
Bill schluckte. Diese Antwort hätte ihm verdammt endgültig geklungen, und in seiner Kehle saß plötzlich ein dicker Kloß. Das Innere seines Mundes wurde rauh, er hatte kaum Speichel und mußte sich räuspern.
»Wie… wie soll ich das verstehen?« hakte er noch einmal nach.
Sheila war dicht neben ihm stehengeblieben. »Wie ich es gesagt habe. Mein Vater rief mich, und ich finde es nicht schlimm, wenn eine Tochter ihrem Vater folgt.«
»Aber nicht so!« rief der Reporter. »Sheila, dein Vater lebt nicht mehr. Willst du ihm in das Reich der Toten folgen?«
»Das steht noch nicht fest.«
Mit einer wütenden Bewegung schleuderte Bill Conolly die beschriebenen Blätter zu Boden. »Ich werde noch verrückt!« keuchte er. »Ich drehe hier bald durch. Meine Güte, denk nicht mehr an deinen Vater. Du hast eine eigene Familie, einen Mann, ein kleinen Sohn. Sie brauchen dich und nicht eine Gestalt, die schon längst gestorben ist und deren Knochen vermodert sind.«
»Der Körper ja, da hast du recht. Aber sein Geist lebt weiter, das habe ich bemerkt. Gib dir keine Mühe, Bill, ich muß zu ihm. Er hat mich lange genug gerufen. Die Seelen geraten in Aufruhr. Die Verstorbenen melden sich. Sie wollen den Kontakt zu den Menschen haben, und die Menschen stimmen zu.«
»Du redest in der Mehrzahl, Sheila. Gibt es noch andere, die den gleichen Weg gehen wie du?«
»Das glaube ich stark. Ich bin nicht die einzige, mein lieber Bill. Nein, das bin ich nicht.« Über ihr Gesicht zog ein Lächeln. »Damit wollen wir schließen. Gib auf den Jungen acht, denn ich weiß nicht, wann ich wieder zurückkomme…« Sie nickte ihrem Mann noch einmal zu, ging an ihm vorbei und verließ das Zimmer.
Zurück ließ sie einen wie erstarrt auf dem Stuhl sitzenden Bill Conolly.
Er sah seine Frau aus dem Zimmer verschwinden und konnte nichts dagegen tun. Bill war einfach machtlos. So blieb er hocken, schüttelte den Kopf und fragte sich, ob er das alles geträumt hatte.
Nein, es war kein Traum. Das bewiesen ihm auch die beschriebenen Blätter.
Sie nahm Bill an sich. Er schaute sich die prägnante Handschrift seines toten Schwiegervaters an, und seine Augen wurden groß. Ja, das war genau die Schrift. So und nicht anders hatte der alte Hopkins früher geschrieben, obwohl ihn Bill kaum gekannt hatte, aber er hatte nach dessen Tod schriftliche Unterlagen von ihm gesehen und auch die Briefe gelesen.
Wie lange lag das zurück!
Johnny war noch nicht geboren. Damals war Sheila verlobt gewesen. Ihr Auserwählter war damals in die Klauen des Dämons Sakuro geraten und hatte sein Leben verloren.
Wie auch Sheilas Vater!
Sein Geist befand sich in den Klauen des Teufels. Sheila hatte sehr an ihrem Vater gehangen, durch die Magie der Hölle war es möglich gewesen, sich bei seiner Tochter zu melden, und diese war voll darauf abgefahren.
Hier braute sich etwas Schreckliches zusammen. Ein Vorgang, den man überhaupt noch nicht näher erfassen konnte. Vielleicht war Sheila erst die Spitze eines Eisbergs.
In diesem Augenblick faßte Bill Conolly den Plan, trotz der späten Stunden seinen Freund John Sinclair anzurufen. Der Geisterjäger würde sicherlich ebenso denken wie er. Um telefonieren zu können, brauchte Bill das Zimmer nicht erst zu verlassen. Es gab in der Wohnung mehrere Apparate, unter anderem stand auch einer in Sheilas Arbeitszimmer.
Bill erreichte den Apparat, riß hastig den Hörer an sich und wählte die Nummer, die er auswendig kannte.
Er sah sich getäuscht.
Lange genug ließ er durchläuten, zehnmal schlug das Telefon in der Wohnung des Geisterjägers an, doch John Sinclair war nicht im Hause.
Bill verzog das Gesicht. Ausgerechnet in diesem Augenblick, wo er für ihn so wertvoll gewesen wäre. Für einen Moment schloß er die Augen.
Wieder wurde sein Hals trocken, und er mußte sich erst freiräuspern, bevor er einen Ton hervorbrachte.
Wenn John schon nicht da war, wollte er es bei Suko versuchen. Vielleicht erreichte er ihn, so daß Suko unter Umständen auch wußte, wo der Geisterjäger zu finden war.
Bill hielt den Hörer kaum in der Hand, als er seinen Plan wieder umwarf. Der Reporter hatte ein Geräusch gehört. Es war dort aufgeklungen, wo sich ihr gemeinsames Schlafzimmer befand. Und dahin war wohl Sheila Conolly gelaufen.
Der Reporter wußte nicht, was das Geräusch zu bedeuten
Weitere Kostenlose Bücher