0289 - In der Hölle verschollen
Sheila sie für ihre Botschaft an mich ausgenutzt hatte.
Es wäre fantastisch gewesen.
Vor Aufregung bekam ich einen trockenen Gaumen. Ich begann zu schlucken und mußte krächzend husten, denn auf einmal wußte ich, wohin ich mich zu wenden hatte.
In einem schmalen Schrank im Wohnzimmer hatte ich den wertvollen Kelch des Feuers aufbewahrt. Meiner Ansicht nach konnte die Stimme der Tanith nur von dort aufgeklungen sein, und ich wollte endlich die ganze Wahrheit wissen.
Ein wenig seltsam war mir schon zumute, als ich meine Schritte auf den Schrank zulenkte. Auf meiner Kopfhaut spürte ich das Kribbeln, und ich überlegte, was Taniths Stimme mit dem Fall, der mich momentan beschäftigte, zu tun hatte.
Gab es eine Verbindung zwischen Sheila, Bill und Tanith? Und vielleicht sogar noch der Hölle und dem Teufel?
Mittlerweile hatte ich den Schrank erreicht, faßte nach dem Griff, überlegte noch einen Augenblick und riß die schmale Tür mit einer ruckartigen Bewegung auf.
Da stand er.
Der Kelch des Feuers!
Und er leuchtete.
Es gab also die Verbindung zwischen der Stimme, dem Kelch und jetzt auch dem Kreuz, denn ein goldener Schein breitete sich vom Kelch her aus und traf mit dem Kreuz zusammen.
Die Brücke stand!
Ein Schimmer verband beide Dinge miteinander. Ein Hauch nur, durchsichtig und gleichzeitig flimmernd, als würden unzählige Partikel in der Luft schweben.
Meinen Blick konnte ich von diesem Phänomen einfach nicht lösen. Ich mußte starr hinsehen und fühlte dabei, wie mich ein Bann umklammert hielt. Ein Phänomen, für das ich momentan keine Erklärung wußte, wobei ich hoffte, daß sie mir nachgeliefert wurden, damit ich endlich aus dieser verdammten Sackgasse herauskam.
Der Schein drang aus der Öffnung des Kelches. Er war ein Wunderwerk der Goldschmiedekunst. Verziert mit seltsamen Zeichen, glänzte er in einem matten Gold, und der aus der breiten Öffnung dringende Strahl schlug einen Bogen, um sich mit meinem vor der Brust hängenden Kreuz treffen zu können.
»Tanith?« flüsterte ich.
Ich bekam keine akustische Antwort, doch daß sie zugegen war, bewies sie in den nächsten Sekunden, als ihr Gesicht innerhalb des goldenen Strahls erschien.
Es wirkte seltsam schmal, weil der Schein selbst nicht sehr breit war. Für mich war es perspektivisch verzerrt, und auch als Tanith die Lippen zu einem begrüßenden Lächeln verzog, änderte sich die Perspektive ihres Gesichts. An den Rändern floß es zusammen, als würden unsichtbare Hände dagegendrücken.
»Du… du bist nicht tot?« fragte ich mit stockender Stimme, wobei ich voll unter dem Eindruck dieses geisterhaften Ereignisses stand.
Diesmal hörte ich sie sprechen. Es war kein gedanklicher Ruf mehr, sondern eine akustische Antwort, die in meinem Kopf wie ein feines, Übermut sches Glockenläuten widerhallte.
»Ich bin gestorben, John.«
Hart preßte ich die Lippen zusammen. Mein Herz schlug schneller. Die innere Erregung konnte ich einfach nicht unterdrücken. Da stand ich nun in meiner Wohnung und führte Gespräche mit einer Toten. Das konnte kaum jemand begreifen, und es war auch sehr schwer, mir dies selbst klarzumachen. Dennoch wollte ich nicht weiter darüber nachdenken, sondern die Tatsachen akzeptieren und das Beste daraus machen.
Meine Gedanken wanderten vor der Antwort wieder zurück in die Vergangenheit, denn ich sagte leise: »Es tut mir leid, Tanith. Ich hätte gern mehr für dich getan… damals, in Paris … aber … Ich kam leider zu spät. Du hättest mich …«
»Ich weiß es, John Sinclair. Und ich weiß auch, daß du meinen Tod auf eine gewisse Weise gerächt hast.«
»Nein, es war keine Rache, es war auch kein Sieg, sondern nur ein halber. Ich fühlte mich unwohl. Die Kugel habe ich nicht bekommen, die hat der Teufel an sich genommen…«
»Das ist nicht schlimm, dafür hast du den Kelch, denn er gehörte dir ja schließlich.«
»Stimmt.« Ich senkte meinen Kopf und schaute noch direkt auf das Gesicht der toten Hellseherin. »Nur begreife ich nicht, wie es kommt, daß du dich mit mir in Verbindung setzen kannst. Das mußt du mir erklären, Tanith. Ich bitte dich darum.«
»Die Welt hat viele Geheimnisse«, begann sie mit ihrer philosophischen Antwort. »Aber die Rätsel und Geheimnisse im Jenseits sind noch viel, viel zahlreicher. Dies zu begreifen, ist einem Menschen unmöglich. Auch du wirst es nicht schaffen, ich selbst kann es nicht, obwohl ich zwischen den Dimensionen in einer Jenseitswelt schwebe. Aber
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