0289 - In der Hölle verschollen
Aktionen weder drängen noch zwingen.
»Wirst du mir zur Seite stehen?«
»Ich bin zwar stärker geworden, John Sinclair, aber ich kämpfe jetzt gegen die Kräfte auf direkter Front. In meinem Leben hatte ich Ausweichmöglichkeiten, doch nun kann ich mit dem Bösen direkt konfrontiert werden. Der Teufel hat natürlich eine Gegenmagie aufgebaut, die du überwinden mußt.«
»Wie?« In mir kochte es. Diesmal zitterte ich, denn ich wollte endlich herausfinden, was ich tun mußte.
Die Erwiderung kam, und ich schlug mir gegen die Stirn, denn sie hatte auf der Hand gelegen. Ich hätte längst selbst darauf kommen müssen. Wie es im Leben so ist, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
»Du weißt, daß die Kugel und der Kelch zusammengehören. Sie bilden eine Einheit. Man hat sie zerrissen. Du mußt beides zusammenfügen, Geisterjäger. Der Kelch wird dir eine Spur zur Kugel weisen. Nutze die Chance und nutze sie schnell. Niemand weiß, wie lange der Satan noch Geduld mit deinen beiden Freunden übt.«
»Ich muß Suko und…«
»John, du mußt gar nichts. Ich weiß, wo sich Suko und Shao befinden. Sie geben auf den kleinen Johnny acht. Im Moment ist er außer Gefahr, obwohl sich das schnell ändern kann. Deshalb versuche es mit dem Kelch und dem Kreuz. Ich werde die Verbindung lange aufrecht erhalten, damit du den Weg in die Vorhölle finden kannst.«
»Wie komme ich hin?«
»Konzentriere dich auf den Kelch, auf mich und auf dein Kreuz. Schalte alle Gedanken ab und laß deinen Geist treiben. Es wird eine Brücke in die Welt der Geister geschlagen und du wirst über sie gehen. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
Es reichte auch, denn nun wußte ich Bescheid. Einen Schritt ging ich vor, und plötzlich hatte ich das Gefühl, nicht nur von dem Strahl durchbohrt zu werden, sondern in das Gesicht der Wahrsagerin Tanith hineinzutauchen. Dann faßte ich nach dem Kelch.
Wunderbar weich und auch warm fühlte sich das Gold an. Nur kurz war der Eindruck, denn im nächsten Moment schlug die Magie der Tanith voll über mir zusammen…
***
Der Trichter spie Bill und seine Frau aus wie das Riesenmaul eines Monsterfisches. Sie kreiselten und wirbelten durch eine schwarze Unendlichkeit, glaubten für immer verschollen zu sein und spürten dennoch schließlich etwas unter sich, das man mit dem Begriff »fester Boden« umschreiben konnte.
Bill tastete mit den Händen umher, fühlte Steine unter den Fingern und dann etwas Weiches.
Es war der Oberschenkel eines Menschen.
»Sheila?« fragte er.
Ein schwaches »Ja« war die Antwort.
Bill atmete auf. Seine Frau lebte, er lebte ebenfalls, und solange es noch Leben gab, bestand auch Hoffnung. Der Reporter rollte sich ein wenig zur Seite und suchte nach Sheilas Hand. Sie kam ihm entgegen. Ihre Finger verhakten sich, und Bill spürte in diesen Augenblicken, daß seine Frau noch nicht verloren war.
Er sagte nichts, versuchte nur, die Schwärze zu durchbohren, doch nicht einen bewegenden Schatten konnte er erkennen. Es war um sie herum absolut dunkel.
War das hier der Vorhof der Hölle, von dem Asmodis gesprochen hatte? Möglich – und wenn, dann war es nur ein kleiner Ausschnitt, ein geringer Teil, vielleicht eine Dunkelwelt oder ähnliches, aber darüber wollte Bill sich keine Gedanken machen, das Menschliche war ihm jetzt wichtiger, und damit meinte er Sheila.
»Sag mir ehrlich, wie es dir geht?« flüsterte er.
»Ich lebe.«
»Das ist viel, aber auch wenig.«
»Bill, es ist alles so schrecklich.« Sheila begann zu schluchzen und Bill hörte an der Akustik, daß sie die Hände vor ihr Gesicht geschlagen hatte. Er rückte noch näher heran, legte seinen Arm um die Schulter seiner Frau und suchte nach tröstenden Worten.
Der Reporter fand keine, und so war es Sheila, die den ersten Satz ausstieß. »Ich… ich hätte ihn wirklich getötet.«
Bill schwieg. Was sollte er seiner Frau sagen? Vorwürfe machen, daß sie versucht hatte, ihr eigenes Fleisch und Blut zu töten? Auf der Erde, in der normalen Umgebung hätte er vielleicht durchgedreht, hier aber war alles anders. Es galten Gesetze, die der Höllenfürst diktierte und die mit denen der normalen Welt nicht mehr in Einklang zu bringen waren.
»Bill, ich wollte ihn töten!«
»Ich weiß, Sheila.«
»Und du sagst nichts?«
Der Reporter lächelte. »Was soll ich dir sagen, Darling? Es war eine andere Situation, eine andere Welt.«
»Ich hätte es dennoch nicht tun dürfen. So etwas ist unverzeihlich. Nein,
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