029 - Hexenjäger aus dem Gestern
befand mich hier – ich wußte nicht wo – und hatte die besten Aussichten, doch noch so zu enden wie Crawford.
Ganz ruhig stand ich, wie eine Statue. Um mich herum begann der Wald mit einemmal zu leben, aber es waren nicht die Bäume, die sich bewegten, sondern Menschen.
Sie trugen erdfarbene Kleidung. Wenn sie sich auf den Boden legten, bemerkte man sie wahrscheinlich erst, wenn man auf sie trat. Sie waren mit Messern, Pfeil und Bogen oder Armbrüsten bewaffnet.
Einer von ihnen, ein blonder, verwegen aussehender Bursche, breitschultrig und muskulös, baute sich grinsend vor mir auf. »Seht euch diesen seltsamen Fremden an, Freunde!« höhnte er.
Meine Kleidung mußte tatsächlich seltsam auf diese Männer wirken, denn sie waren wie zu Ende des 17. Jahrhunderts angezogen.
Anscheinend hatte es mich in die Vergangenheit verschlagen.
Mit einer Flucht in die Vergangenheit hatten sich Yora und Frank Esslin in Sicherheit gebracht, das war meine erste Erkenntnis, die ich bei dieser Begegnung gewann.
Mit wem hatte ich es hier zu tun? Mit Strauchdieben? Waldräubern? Wegelagerern? Gesetzlosen? Vogelfreien? Ohne es zu ahnen, traf ich mit den letzten beiden Begriffen den Nagel auf den Kopf, wie sich später herausstellen sollte.
Ich befand mich also in der Vergangenheit. Es ist lange her, aber ich werde mein Abenteuer im 12. Jahrhundert nie vergessen, denn damals lernte ich Mr. Silver kennen, rettete ihm das Leben und nahm ihn mit ins 20. Jahrhundert. Seit damals sind wir unzertrennliche Freunde.
Etwa zwanzig Männer umringten mich, und nach wie vor saß dieses verdammte Messer an meiner Kehle. Der Anführer der Bande brauchte nur ein Wort zu sagen, und ich war dran.
»Nenn uns deinen Namen, Fremder«, verlangte der Blonde.
»Tony Ballard.«
»Was trägst du für seltsame Gewänder?«
»Es ist die Kleidung meiner Zeit.«
»Deiner Zeit? Was meinst du damit?« Er trat näher und kniff die hellen Augen zusammen. »Ich warne dich, Ballard. Ken Ketton belügt man nicht! Also überlege dir jedes Wort, das du sagst, gut!«
Ich befand mich in einem argen Dilemma. Wenn ich die Wahrheit sagte, bestand die Gefahr, daß Ketton mich für einen Lügner hielt.
Belog ich ihn, dann bestand ebenfalls die Möglichkeit, daß er mir nicht glaubte.
Eine verdammte Zwickmühle war das. Wie sollte ich da herauskommen?
»Könnte der Mann nicht das Messer von meiner Gurgel nehmen?« fragte ich.
Ketton lachte. »Befürchtest du, seine Hand könnte unruhig werden?«
»Es spricht sich besser ohne Messer an der Kehle.«
Ken Ketton nickte, und der Kerl hinter mir trat zurück. Ich atmete erleichtert auf, obwohl ich sah, daß zwei Männer ihre gespannte Armbrust auf mich richteten.
Sie trauten mir nicht. Meine Lage war und blieb kritisch. Mein Schicksal lag in Ken Kettons Händen.
»Woher kommst du?« wollte er wissen.
»Diese Frage läßt sich nicht so einfach beantworten«, gab ich zurück.
»Wohin wolltest du?«
»Dazu müßte ich erst einmal wissen, wo ich mich befinde.«
Ketton musterte mich mißtrauisch. »Willst du uns weismachen, du wüßtest nicht, wo du bist?«
»Es ist leider so.«
»Darkwood Forest«, knurrte Ken Ketton. Ich konnte verstehen, daß er mir nicht glaubte. »Dies hier ist Darkwood Forest, Tony Ballard, und du hast es mit den Gesetzlosen zu tun. Ich habe dich gewarnt! Du hast mich dennoch belogen!«
»Ich sagte die Wahrheit!«
Ketton bleckte die weißen, regelmäßigen Zähne. »Du bist ein Spion des Count! Er hat dich in dieser lächerlichen Verkleidung losgeschickt, damit du unser Versteck auskundschaftest! Aber dein verdammter Herr kriegt uns nicht, und du wirst mit mir um dein Leben kämpfen!«
Ich schüttelte den Kopf. »Das möchte ich nicht.«
Ken Ketton lachte. »Hast du etwa Angst vor mir? Es besteht immerhin die minimale Chance, daß du gewinnst.«
»Dann durchbohren mich die Pfeile deiner Männer.«
»Nein, dann darfst du zu Count Gilford zurückkehren und ihm bestellen, daß der Tag nicht mehr fern ist, an dem ihn unsere Rache vernichten wird.«
»Ich stehe nicht in Count Gilfords Diensten!« sagte ich, aber es hatte keinen Zweck. Ken Ketton glaubte mir nicht. Er hielt mich für einen abgefeimten Lügner.
»Los, gebt ihm ein Messer!« befahl Ketton.
Einer seiner Männer drückte mir die Waffe in die Hand. Ketton zog sein Messer aus der Scheide und duckte sich leicht.
»Ich werde nicht mit dir kämpfen!« sagte ich entschlossen.
»Du hast keine andere Wahl. Nimm die Chance wahr, die
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