0292 - Satans Knochenuhr
und dem Gefesselten her. Sie waren wie breite Schlieren, die zitterten, wallten, sich bewegten und träge in der Luft hingen. Ein unheimlich anzusehendes Bild, und mein Magen verkrampfte sich dabei.
Plötzlich gellten die Schreie auf.
Es war sieben Sekunden vor Mitternacht.
Und dieser Schrei rüttelte mich auf. Er wirkte wie ein Messerstich. Ich krampfte die Hände zusammen, mein Gesicht verzerrte sich in die Breite, ich drehte mich zu Ray Keene um und verlangte mit harter Stimme, den Gefesselten von der Uhr zu lösen.
»Nein!«
Die Antwort war klar und eindeutig.
Ich wollte es aber und zog meine Beretta. Die Mündung setzte ich an den Kopf des Regisseurs. »Es tut mir leid«, sagte ich dabei. »Lösen Sie den Mann ab.«
Keene gab keine Antwort. Nur ein schmales Lächeln umspiegelte seine Lippen.
Fünf Sekunden vor zwölf.
»Nicht sterben. Nicht sterben!« Die Schreie des, Mannes waren schlimm. »Die Hölle ist da! Ich sehe sie. Der Teufel lauert. Die Fratze… er grinst.«
Drei Sekunden noch.
Erschießen konnte ich Keene nicht. Das wußte er auch. Ich war schließlich kein Killer, aber ich wollte etwas tun, nahm die Waffe weg, steckte sie ein und lief auf die Uhr zu.
Hinter mir lachte Keene.
»Eine Sekunde!«
»Der Teufel holt mich!« Weit aufgerissen war der Mund des Mannes. Gellend und qualvoll seine Schreie.
Genau zwölf.
Ich stand vor der Uhr, wollte in die Höhe springen, als die Hölle reagierte.
Der Schrei verstummte. Dafür passierte etwas anderes. Ein gewaltiger Blitz entstand. Er war so hell, daß er mich blendete und ich zurück mußte und meine Hände vor die Augen riß. Sehen konnte ich nichts mehr, hörte allein das Fauchen, taumelte wieder nach hinten, vernahm ein dröhnendes Lachen und einen furchtbaren Schrei, der allmählich verebbte, als wäre er von der Hölle aufgesaugt worden.
Auch Keene stieß ein Lachen aus, bevor er sagte: »Du kannst wieder hinschauen, Bulle!«
Das tat ich auch.
Langsam sank mein Arm nach unten. Was ich da zu sehen bekam, konnte ich kaum glauben.
Der Mann namens Pernell war verschwunden. Leer präsentierte sich der große Zeiger.
Bis auf eine makabre Kleinigkeit. In einem dünnen Streifen lief ein Blutfaden der Spitze des Zeigers entgegen…
***
Was sollte ich dazu sagen?
Nichts. Ich konnte einfach nicht. Es war mir unmöglich, ein Wort herauszukriegen. Was ich da erlebt hatte, überstieg all mein Vorstellungsvermögen.
Der Schauspieler Pernell war im wahrsten Sinne des Wortes vom Teufel geholt worden.
Das konnte ich nicht begreifen!
Ich schüttelte mich. Mein Hals war trocken. Der Blutstreifen rann langsam nach unten, und der Knochenzeiger bewegte sich wieder zurück, so daß er seine ursprüngliche Stellung einnehmen konnte.
Wenn jetzt jemand daran gebunden wurde, widerfuhr ihm das gleiche Schicksal.
Keene hatte mir berichtet, daß er mit dem Teufel im Bunde steckte. Dies war tatsächlich der Fall.
Der Teufel hielt ihn in den Krallen. Er manipulierte ihn, er war gnadenlos, ich hatte dies mit eigenen Augen gesehen. Einen echten Film hatte Keene drehen wollen. Es war ihm auf verdammt schlimme Weise gelungen.
Mußte ich mir Vorwürfe machen?
Eigentlich nicht, dennoch hätte ich eingreifen müssen. Ich war durch den Hexenstreifen gewarnt worden, aber ich hatte nicht recht daran glauben wollen.
Und das war das Schlimme.
Stille hatte sich ausgebreitet. Das leise Summen der Kamera hörten wir nicht mehr. Und auch das Mikro konnte ich nicht mehr sehen. Man hatte es wieder in die Höhe gezogen.
Bis auf den roten Blutstreifen wies nichts darauf hin, daß an dem Zeiger ein Mensch angebunden gewesen und von der Hölle geholt worden war. Die dünnen Nebelschleier wehten noch immer vor dem Zifferblatt. Sie kamen mir vor wie wischende Arme, die alles reinwaschen wollten.
Ich drehte mich um.
Langsam tat ich es. Mit abgezirkelten, leicht eckig wirkenden Bewegungen, wobei mein Gesicht zu einer starren Maske geworden war, in der nur die Augen lebten.
Das Licht des Scheinwerfers hielt uns auch weiterhin fest. Deshalb gelang es mir, auch das Gesicht meines Gegenübers genau zu erkennen. Wie nicht anders zu erwarten. Die Züge drückten das aus, was er fühlte.
Triumph!
Unverhohlener Triumph!
Mir war inzwischen klar geworden, daß er nicht bluffte. Dieser Mann stand tatsächlich mit dem Satan im Bunde.
Er schaute in mein Gesicht, las darin das harte Versprechen, und sein Lächeln zerbrach. Intervallweise verschwand der Triumph, nur die Augen glühten
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