0295 - Tal der vergessenen Toten
Manta stiegen, warf ich noch einen Blick zurück. Herr Äcker schaute uns nach.
Selbst aus dieser Distanz sah ich sein Kopfschütteln. Wahrscheinlich hielt er uns für Spinner. Das hatten schon viele getan und mußten sich anschließend eines Besseren belehren lassen.
Das damalige Unglück ging mir nicht aus dem Kopf. Da waren Menschen verschüttet worden, aus welchen Gründen auch immer, und man hatte von einem verfluchten Ort gesprochen.
Bestimmt entsprach einiges an dieser Geschichte den Tatsachen. Und wenn es nur ein winziger Rest war, der zurückblieb, doch durch bestimmte Ereignisse konnte dieser Rest sich so aufblähen, daß er zu einer gewaltigen Bombe wurde.
Vorstellbar war es kaum, denn als wir den Fleck erreichten, wo alles passiert sein sollte, sahen wir ein schmuckes Dorf vor uns liegen, dessen Häuser vom herbstlichen Sonnenschein gebadet wurden.
Will hatte die Geschwindigkeit gesenkt und fuhr langsam in den Ort hinein.
»Hier kann ich mir wirklich keine Zombies hindenken«, sagte er und erntete meine Zustimmung.
Der Ort lag in einem gewaltigen Tal. Der Turm einer Kirche stach in den blanken Herbsthimmel, und die Scheiben eines großen Supermarktes blitzten im Sonnenlicht.
Davor befand sich ein großer Parkplatz, auf dem allerdings kein Wagen stand.
Dafür hatten sich zahlreiche Menschen versammelt. Obwohl wir nichts hörten, sahen wir ihnen an, daß sie erregt miteinander diskutierten.
Sofort wurden wir mißtrauisch.
Ich brauchte nichts zu sagen. Will Mallmann lenkte seinen Manta nach rechts und rollte auf den Parkplatz. Die ersten Blicke trafen das Fahrzeug mit dem fremden Nummernschild und wurden noch mißtrauischer, als Will stoppte und wir ausstiegen.
Nicht sehr eilig schlenderten wir auf die Menschengruppe zu. Zum großen Teil waren es Frauen, die sich versammelt hatten, nur wenige Männer sahen wir, dafür mehr Jugendliche.
Die Leute sahen blaß aus. Sie hatten Angst, das spürten wir. Aber wovor fürchteten sie sich?
»Dürfen wir mal durch?« fragte Will Mallmann höflich und ließ dabei seinen Ausweis sehen.
Schweigend machte man uns Platz.
Durch eine Gasse schritten wir und sahen nun, was bisher unseren Blicken verborgen geblieben war.
Ein schreckliches Bild.
Inmitten einer großen Blutlache lagen die Toten.
Zum Glück keine Menschen, sondern Tiere…
***
Dennoch war es erschreckend. Ich schüttelte mich, während Will neben mir ein »Mein Gott!« ausstieß.
Hunde und Katzen jeglicher Rasse und Größe lagen dort übereinander, wie hingeworfen.
Ich griff zur Zigarettenschachtel und zündete mir ein Stäbchen an, um das grauenvolle Bild ertragen zu können. Und Will Mallmann fragte leise: »Wer hat das getan?«
»Sieht nach Zombie-Arbeit aus«, murmelte ich.
»Nur ein Zombie?«
Ich lachte leise. »Nein, dazu gehören mehr.«
»Das meine ich auch.«
Will Mallmann drehte sich um. Er wandte sich an die geschockten Bewohner. »Wie ist das passiert? Kann mir das jemand erklären?«
Murmeln, Kopfschütteln. »Heute morgen entdeckten wir die toten Tiere. Es war schlimm. Es gibt kein lebendes Tier mehr in dieser Siedlung. Wenigstens keine Katze und auch keinen Hund.«
Will rieb sich sein Kinn. »Haben Sie die Schutzpolizei alarmiert?«
»Klar«, sagte ein Mann, der einen speckigen Cordhut auf dem Kopf trug. »Man hat uns gesagt, daß sich eine Abdeckfirma um den Transport der Tiere kümmern will.«
»Haben Sie sich eigentlich Gedanken darüber gemacht, aus welchem Grunde das alles geschehen ist?«
Da mußten die Menschen passen. Gedanken hatte man sich wohl gemacht. Zu einer Lösung war man aber nicht gekommen. Man hatte einfach keine Erklärung für dieses Phänomen.
Der Mann mit dem Cordhut meinte: »Da muß jemand nachts durch den Ort gestreunt sein. Er hat diese Tiere gepackt und sie getötet. Regelrecht zerrissen worden sind manche.«
»Nichts geschieht ohne Grund«, sagte ich laut. »Wir hörten nämlich, daß es hier in der Nähe einmal ein Unglück gegeben hat. Es soll ungefähr hundert Jahre zurückliegen. Hat jemand von Ihnen davon gehört, meine Damen und Herren?«
Ja, das hatten einige.
»Aber was hat das Unglück mit diesem Massaker an den Tieren zu tun?« wollte eine Frau wissen.
»Sind die Verschütteten jemals gefunden, geborgen worden?« fragte ich weiter.
Man verneinte.
»Auch nicht bei späteren Arbeiten?«
Niemand wußte darüber Bescheid.
»Wo ist das Unglück denn geschehen?« wollte ich wissen. »Kann man uns den Ort zeigen?«
»Sie
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