0296a - Lösegeld für blonde Locken
immer noch von den Maiskörnern, die ich am Vormittag geknabbert hatte. Bisweilen wunderte ich mich, daß ich mit der Hungerration eines Mannequins auskam. Aber ich schwor mir, den Fehlbestand bei der nächsten Gelegenheit auszugleichen.
»Hallo, Mr. Jorgen, ist Dr. Belman schon bei Ihnen?«
»Ja.«
»Gut. Dann soll er bleiben, ich komme sofort rüber.«
***
Belman war geistesgegenwärtig genug gewesen, einen Adapter ans Telefon anzuschließen. Ich spulte das Tonband zurück und hörte das Gespräch ab.
Es wurde von einer Telefonzelle aus geführt. Das konnte man ganz deutlich am Klang der Stimme hören. Es entstand ein hohles Echo. In unregelmäßigen Zeitabständen jagten Wagen vorbei. Es war nicht ausgeschlossen, daß der Anrufer irgendwo von der Raststätte am Highway telefonierte. Ich schaute auf die Armbanduhr. Das Gespräch dauerte genau fünfunddreißig Sekunden.
»Hallo, Mr. Jorgen am Apparat?« fragte die Stimme.
»Ja.«
»Okay. Wir haben Ihren Harry entführt. Dem Kleinen geht es gut. Haben Sie unseren Brief bekommen?«
»Ja, den Brief und das Telegramm.«
»Und wollen Sie zahlen?« -Eine Pause entstand. Offenbar hatte der Anwalt mitgehört und gab Jorgen durch ein Nicken zu verstehen, daß er die Frage bejahen sollte.
»Ich habe es mir überlegt. Ich werde zahlen. Aber gebt mir den Beweis, daß der Kleine tatsächlich bei euch ist.«
»Okay, du sollst einen Beweis bekommen. Jorgen. Das Baby kann zwar noch nicht Papa sagen, aber wir werden dir seine Decke zuschicken. Du brauchst keine Angst zu haben, daß der Kleine friert. Also, noch mal. Laß die Cops aus dem Spiel, sonst siehst du deinen Sohn nicht wieder. Heute abend lieferst du die ersten 100 000 Bucks ab. Nur kleine Scheine und keine Serien. Wenn du uns reinlegst, lassen wir dich hochgehen. Wenn die Cops uns überrumpeln wollen, kann ihr Boß ein Staatsbegräbnis für sie anordnen. Du erhältst Bescheid, wo das Geld abzuliefern ist. In zwei Stunden. Ich denke, es reicht, um die Bucks zu besorgen.«
Das folgende Knacken in der Leitung verriet entweder, daß der Anrufer eingehängt hatte, oder daß bei einem Gespräch von auswärts die bezahlte Sprechzeit abgelaufen war und der Anrufer kein Fünfzig-Centstück nachgeworfen hatte.
Mr. Jorgen hockte bleich in seinem Sessel. Seine Hände krallten sich um die Lehne. Der Anwalt rauchte eine dicke schwarze Brasil und blies den Rauch gegen die Decke.
»Hunderttausend Dollar sind kein Pappenstil«, sagte ich .
»Wir haben bereits alles in die Wege geleitet«, erklärte der Anwalt. »Das Geld kann bis Bankschluß besorgt werden. Wir überlegen nur noch, wer den Kontaktmann machen soll.«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich die Rolle übernehmen«, schlug ich vor.
»Meinen Sie nicht, daß man Ihnen den G-man an der Nase ablesen wird«, meldete der Rechtsanwalt seine Bedenken an.
»Keine Angst, ich werde mich so tölpelhaft benehmen wie irgend möglich.«
»Sie verstehen, Mr. Cotton, daß ich jedes Risiko vermeiden möchte«, schaltete sich Fred Jorgen ein. »Die Gangster dürfen nicht nervös werden. Denn ich möchte mir keine Schuld am Tode des Kindes geben. Daher muß ich auch Sie bitten, die Sache im Alleingang zu erledigen. Kein Großeinsatz des FBI, verstehen Sie?«
»Natürlich habe ich Verständnis für das Gefühl eines Vaters, dem der Sohn geraubt wurde, und ich werde mich danach richten. Allerdings muß ich Sie warnen, den Gangstern allzuviel Vertrauen zu schenken.« Ich wollte ihm nicht erklären, daß in neunzig von hundert Fällen bei einem solchen Kidnapping wenig Aussichten bestanden, das Kind lebend zurückzuerhalten.
»Natürlich — nur, Mr. Jorgen ist bestrebt, genau nach Anweisung der Kidnapper zu handeln, um von seiner Seite alles getan zu haben, das Leben seines Kindes zu retten«, erläuterte der Anwalt.
»Selbstverständlich richten wir uns nach Ihren Wünschen. Darf ich telefonieren?« fragte ich.
»Das Telefon steht in der Diele«, erklärte Mr. Jorgen.
Ich ging hinaus, wählte die Nummer des FBI-Distriktgebäudes und ließ mich mit Phil verbinden. In kurzer Zeit setz,-te ich ihn von meinen Plänen in Kenntnis. Dann ging ich wieder in den Salon zurück. Das Tonbandgerät stand noch auf dem Tisch.
»Ist es nicht besser, den Adapter wieder ans Telefon zu klemmen«, sagte ich, »denn wir wissen nicht, wann der Bursche anruft.«
Der Anwalt erhob sich, schleppte den Kasten in die Diele und verband ihn mit dem Telefonapparat. Dann kam er in den Salon
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