0298 - Im Haus der schlimmen Träume
selbst?
»Myrja?« wiederholte sie ihren Ruf, der gar nicht bis zu den zwei Gestalten im Lichtviereck vorzudringen schien. Es war, als würde die Nacht ihre Stimme aufsaugen wie ein trockener Schwamm. Nicole hatte nie zuvor etwas Ähnliches erlebt. Ihr war plötzlich kalt. Sie fror bis auf die Knochen, ohne zu wissen, woher diese Kälte rührte.
Von dem Haus? Von dem kalten Licht, das sich in ihren Pupillen spiegelte, ebenso wie die verloren dastehenden Gestalten, in die unvermittelt Regung kam?
»Verdammt!« fluchte Nicole undamenhaft, als ihr die Wahrheit klar wurde.
Das Haus schickte seine Opfer, um ein drittes zu fangen!
»Das darf doch nicht wahr sein«, floß es tonlos über Nicoles Lippen. »Atkins hat recht gehabt… Wir hätten nie hierherkommen sollen…«
Fliehen. Ich muß fliehen, dachte sie.
Aber was war aus Zamorra geworden? Er befand sich immer noch im Haus!
Plötzlich stürmten die beiden Gestalten, die aus der Tür getreten kamen, los!
Nicole war keine zehn Schritte von ihnen entfernt, und die Überraschung lähmte sie wertvolle Sekunden lang.
Als sie den Bann endlich abschüttelte, sah sie bereits das Weiß in den Augen der Angreifer, und es war fast zu spät!
Aufschreiend warf sie sich herum.
Fort! Weg von dem Haus! hämmerte es in ihren Schläfen.
Hinter sich hörte sie ein Stakkato von Schritten, keuchenden Atem, fauchende, nichtmenschliche Laute…
Nicole spurtete los.
Ein umgepflügter Acker war alles andere als eine akzeptable Rennstrecke. Aber mit diesem Handicap hatten auch die anderen zu leben. Wenn sie überhaupt noch lebten.
In der Ferne sah Nicole die schwachen Lichter des Dorfes. Aber das war auch schon fast alles, was sie in der Dunkelheit auszumachen vermochte. Die Beschaffenheit des Bodens war und blieb ihr ein Rätsel. Sie stolperte mehr, als sie rannte. Ständig blieben ihre Schuhspitzen an irgendeiner Verwerfung hängen und ließen sie armschwenkend um ihr Gleichgewicht kämpfen. Sie wagte kaum, den Kopf zu drehen, um herauszufinden, wie groß ihr Vorsprung noch war. Sie hätte es weiterhin bleiben lassen sollen, doch dann tat sie es doch und kam auch prompt ins Stolpern und zu Fall!
Noch während des Sturzes wurde ihr klar, daß sie verloren hatte. Und dann prallte sie auch noch so unglücklich mit der Stirn gegen einen Stein, daß sie auf der Stelle das Bewußtsein verlor!
Sie merkte nicht mehr, wie Myrja O’Keefe und Rod Dorsay sie erreichten, an den Armen packten und zum Haus zurückschleiften, das bereits begierig auf sie wartete.
***
Es war ein Zwang, ein unsichtbarer Sog, der ihn auf die Wand zuzog. Es gab keine Möglichkeit des Widerstandes dagegen.
Wirklich nicht?
Wach auf! Verdammt, wach endlich auf, versuchte ihn eine innere Stimme aufzurütteln.
Zamorra ging wie auf Wolken. Völlig losgelöst… Urplötzlich war das Fremde über ihn hergefallen, das Unheimliche. Der Nebel über seinen Geist. Die Beeinflussung, die ihm viel zu spät bewußt geworden war. Und jetzt machte sein Körper, was er wollte. Bewegte sich auf die feste Wand des futuristischen Raumes zu und tat damit genau das, was der Typ mit Zamorras Gesicht auf der Bildschirmwand vorgemacht hatte!
Das Haus war stärker als er!
Das Haus und die Macht, die sich dahinter verbarg.
»Analh natrac’h - ut vas bethat!« versuchte Zamorra, Merlins magische Superformel über die Lippen zu bringen. Aber die gehorchten auch nicht mehr, waren versiegelt. Und die Gedankenformulierung reichte nicht aus, jene Kräfte aus der Zeit vor dem Urknall zu wecken. Energien, die wahrscheinlich ausgereicht hätten, das Haus, diese dämonische Manifestation, einfach in jene Dimensionen der Nacht zurückzupusten, aus denen es gekommen war!
Zamorra wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, seit er das Spukhaus betreten hatte. Jegliches Zeitgefühl war mit dem Nebel, der sein Gehirn lähmte, abhanden gekommen.
Vor ihm wuchs die Wand empor. Er stand jetzt unmittelbar davor. Der nächste Schritt würde ihn mit der Nase dagegenstoßen lassen -oder aber er würde das Schicksal der Wirtstochter teilen und im Mauerwerk verschwinden… !
Dann schon lieber eine eingebeulte Nase, entschied er.
Und was er selbst noch am allerwenigsten erhofft hatte, trat ein:
***
Einer hörte die Worte der Macht, obwohl sie niemals Zamorras Lippen überschritten hatten.
»Analh natrac’h - ut vas bethat…«
Auf einer unsichtbaren Burg im westlichen Wales erstarrte ein uraltes Wesen in weißer Druidenkutte. Gedankenschnell
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