0298 - Im Haus der schlimmen Träume
neueste Entwicklung zu informieren und gleich entsprechend zu impfen, damit er bei einer eventuellen Polizeibefragung auf der richtigen Wellenlänge zu antworten wußte.
Müde schleppte sich O’Keefe die Treppenstufen hoch. Er fühlte sich selbst erschöpft wie selten zuvor in seinem Leben. Das letzte Mal, als er sich so alt und ausgelaugt gefühlt hatte, war beim Tode seiner Frau gewesen.
Der Wirt versuchte, die trüben Gedanken etwas zu verdrängen. Irgendwie mußte das Leben weitergehen, selbst jetzt, da er auch noch seine Tochter verloren zu haben schien.
Er erreichte das Ende des Treppenaufgangs und schaltete die Beleuchtung des kurzen Korridors ein, die nur widerwillig reagierte. Als sie endlich brannte, flackerte die Birne wie eine Kerze im Wind und drohte jeden Augenblick wieder zu verlöschen.
O’Keefe ließ sich davon nicht beunruhigen. Er kannte die Mucken seines alten Hauses und wußte sie zu nehmen, wie sie waren. Der Pub mit den zwei kleinen Fremdenzimmern im ersten Stockwerk konnte sicher mit keiner normalen Herberge konkurrieren. Dafür war er schließlich auch nicht gedacht. Nur wenn ab und zu ein paar sehr späte Reisende durch Tuthbantry kamen, die die normale Fahrtroute verlassen hatten und ins touristisch unberührte Hinterland geraten waren, drückte er mal ein Auge oder zwei zu. In erster Linie wollte er Bier und Whisky verkaufen und dabei das gesellige Zentrum der dörflichen Männerwelt schaffen, was ihm bislang auch immer ganz gut gelungen war. Frauen, mit Ausnahme seiner Tochter, hatten zu dem Pub keinen Zutritt - und das wußten die meisten Ehemänner durchaus zu schätzen.
Rechts und links des Ganges waren jeweils zwei Türen. Der Gang selbst mündete in ein gardinenverhangenes Fenster, das freien Blick auf Garten und Hinterhof gewährte.
O’Keefe steuerte die letzte Tür auf der linken Seite an, blieb davor stehen, lauschte kurz nach irgendeinem Geräusch, das ihm verraten hätte, daß der Franzose noch nicht schlief, hörte aber nichts und klopfte schließlich kurz entschlossen gegen das dünne Türblatt.
Er klopfte auch ein zweites Mal, ohne ein »Herein« zu hören.
Geduld war noch nie seine Stärke gewesen. Außerdem war er der Hausherr und hatte folglich das Recht, nach dem Rechten zu sehen -oder?
Er öffnete die Tür.
Dunkelheit gähnte ihm entgegen.
Seine Hand fand den Schalter und ließ die Zimmerlampe aufflammen.
Verblüfft sah O’Keefe, daß das Bett des Franzosen unberührt war. Die Koffer standen noch dort, wo er selbst sie abgestellt hatte. Von Zamorra keine Spur. Der Raum war leer.
Leer?
***
Zamorra wurde wach, als er keine Luft mehr bekam…
Er öffnete die Augen und merkte, daß die Bettdecke über seinem Gesicht lag und sich fest gegen Mund und Nase preßte!
Ja bin ich denn schon zum Schlafen zu doof? dachte er erzürnt, ehe er feststellte, daß er an seiner unerfreulichen Situation völlig unschuldig war.
Ruckartig bäumte er sich auf, um sich von dem hartnäckigen Stoffgebilde zu befreien, aber es ging nicht. Die Decke klebte regelrecht an ihm fest, zeichnete wie eine hauchdünne Folie seine Körperkonturen nach und hüllte ihn ein wie eine zweitausendjährige ägyptische Pharaonenmumie… Nur waren die bei ihren Bestattungen schon tot gewesen und hatten keinen allzu großen Wert auf Luft zum Atmen gelegt - im Gegensatz zu ihm!
Zamorra strampelte und schlug heftig um sich, aber die merkwürdige Decke vollzog jede Bewegung mit, schmiegte sich flexibel an seine Haut und erstickte ihn dabei fast nebenbei!
Die Bettdecke schien ein eigenes Leben zu besitzen, was bei Zamorra den unangenehmen Verdacht aufkeimen ließ, er könnte blind in eine Falle seines Gegners getappt sein. Und dieser Gegner war - das »Haus«, beziehungsweise jener dämonische Organismus, der diese Gestalt angenommen hatte!
Während diese Gedanken wie Sternschnuppen durch sein Gehirn spukten, erlahmten seine Bewegungen ganz allmählich, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Vor seinen Augen begannen sich feurige Räder in rasendem Tempo zu drehen. Sein Hals schwoll an, und seine Lungenflügel schienen zerbersten zu wollen, weil der dringend benötigte Sauerstoffnachschub ausblieb.
Wieso griff das Amulett diesmal nicht ein? Warum schützte es ihn nicht so wie in dem Spukhaus?
»Weil ich es lähme«, glaubte er, eine Stimme in seinem Kopf zu hören. » Meine Ausstrahlung! Du kennst doch die besondere Beziehung zwischen mir und dem Amulett. Denke nur an das FLAMMENSCHWERT
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