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03 Arthur und die Stadt ohne Namen

03 Arthur und die Stadt ohne Namen

Titel: 03 Arthur und die Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruebenstrunk Gerd
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herab. Hayyid hob vorsichtig eine der Seitenplanen an und wir krochen ins Innere. Larissa und ich drückten uns in den Schatten, während Hayyid aufstand und vortrat.
    »Psst«, wisperte er. Larissas Vater, der sich gerade an einer Art Schrank an der gegenüberliegenden Zeltseite zu schaffen machte, fuhr herum. Vor Schreck ließ er den Topf, den er in der Hand hielt, zu Boden fallen.
    »Ich bin’s, Hayyid«, flüsterte unser Begleiter.
    »Hayyid?«, fragte Larissas Vater, so als wüsste er nicht, wen er vor sich hatte.
    »Ihr Führer von damals«, bekräftigte Hayyid. »Sie haben meinem Vater die Operation bezahlt, wissen Sie noch?«
    Wir konnten förmlich sehen, wie die Erinnerung bei Larissas Vater zurückkehrte.
    »Einen Augenblick«, sagte er und ging zum Zelteingang. Wir hörten ihn ein paar Worte mit Larissas Mutter wechseln, dann kam er wieder herein, gefolgt von seiner Frau.
    Die beiden standen auf der einen Seite des Zeltes, wir auf der anderen. Hayyid huschte an ihnen vorbei zum Eingang, um Chalid und seine Horde im Auge zu behalten.
    Larissa und ich standen auf.
    Ihre Eltern starrten uns wortlos an. Oder, besser gesagt, sie starrten Larissa an, der die Tränen jetzt ungehemmt über die Wangen liefen.
    Die Mienen ihrer Eltern veränderten sich. Der fragende Blick verwandelte sich in die Ahnung einer Erkenntnis. Ich versuchte mir vorzustellen, was in ihnen vorging. Sie hatten ihre Tochter zuletzt vor fast zehn Jahren gesehen. Damals war Larissa noch ein kleines Kind, heute war sie eine fast schon erwachsene Frau. Eltern verändern sich in einer solchen Zeitspanne nicht so sehr, Kinder schon.
    »Du …«, sagte ihre Mutter zaghaft.
    Larissa nickte. »Ich bin’s, Larissa«, stieß sie hervor.
    Ihre Mutter machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu. Zweifel, Freude, Überraschung, Trauer, all diese Gesichtsausdrücke wechselten sich in rasendem Tempo ab. Sie streckte zaghaft die Hand aus und berührte Larissas Gesicht, so als könne sie nicht glauben, dass ihre Tochter tatsächlich vor ihr stand.
    Auch Larissa hatte sich bislang nicht gerührt. Ihr ganzer Körper zuckte.
    Und dann brachen die Dämme.
    Larissa flog in die Arme ihrer Mutter und ihr Vater schlang seine Arme um die beiden. Schluchzend und lachend standen sie da, und es schien, als wollte dieser Augenblick kein Ende nehmen. Auch ich wischte mir ein paar Tropfen aus den Augenwinkeln.
    Es dauerte gewiss fünf Minuten, bis sich die drei langsam voneinander lösten.
    Larissa stellte mich ihren Eltern vor. Sie waren beide von der langen Gefangenschaft ausgezehrt. Tiefe Furchen durchzogen ihre sonnengegerbten Gesichter. Trotzdem waren ihre Züge nicht verbittert.
    Sie begannen, Larissa und mich mit Fragen zu bestürmen. Immer wieder streichelte Larissas Mutter ihrer Tochter übers Haar und ihr Vater ließ ihre Hand nicht los. Wir erzählten in so kurzen Worten wie möglich das Wichtigste: unsere Suche nach den Vergessenen Büchern, das erste Zusammentreffen mit den Schatten, der Anschlag auf den Bücherwurm, die Begegnung mit dem Bibliothekar und dass wir in Edinburgh das Buch der Leere gefunden hatten.
    Sie starrten uns sprachlos an. »Ihr habt das Buch der Leere?«, fragte ihr Vater. »Wisst ihr denn auch, wie ihr es benutzen müsst?«
    Larissa schüttelte den Kopf. »Bislang haben sich die Dinge immer noch rechtzeitig zu unseren Gunsten gefügt. Wir müssen einfach darauf vertrauen, dass es diesmal nicht anders sein wird.«
    Ihre Mutter machte ein sorgenvolles Gesicht. »Ihr habt doch nicht vor, alleine den Schatten gegenüberzutreten?«
    »Das war unser Plan«, sagte ich.
    »Das ist kein Plan«, sagte Larissas Vater. »Das ist Wahnsinn.«
    »Aber eine andere Möglichkeit gibt es nicht«, widersprach Larissa. »Großvater schwebt noch immer in Lebensgefahr. Die Schatten werden uns nie in Ruhe lassen, wenn wir sie nicht besiegen. Wir haben in Edinburgh bereits erlebt, dass uns das Buch der Leere schützen kann. Warum sollte das hier nicht auch funktionieren?«
    »Was hatten Sie denn vor?«, fragte ich. »Als Sie damals in den Jemen gereist sind, da wollten Sie doch auch den Schatten gegenübertreten, oder?«
    Larissas Mutter nickte. »Wir waren sehr naiv. Wir waren davon überzeugt, eine Chance zu haben. Schließlich hatten wir lange Jahre die Geschichte der Vergessenen Bücher studiert. Bevor wir damals aufgebrochen sind, haben wir den Bibliothekar in Prag besucht. Immerhin ist er das Oberhaupt der Bewahrer, und wir wollten von ihm wissen, was wir

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