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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Jacken.
    »Dad! Dad! Nehmen wir uns ein Boot.«
    »Bei dem Wetter! Du bist ja verrückt, Junge.«
    »Ach wo! Ach, komm doch, Dad. Sag ja! Dad? Sag doch ja!«
    Kevin drückte die Augen zu, als könne er damit die Stimme zum Schweigen bringen, die so hell und klar das Prasseln des Regens, das Ächzen des Windes, das Gurgeln des Wassers in den Regenrinnen übertönte. Mit einer linkischen Bewegung wandte er sich von der Kommode ab und ging zu Matthews Bett. Ohne Rücksicht darauf, daß seine Kleider naß und schmutzig waren, setzte er sich nieder, nahm das Kopfkissen und drückte es an sein Gesicht. Ganz tief atmete er ein, um den Duft seines Sohnes zu finden. Doch der Bezug war frisch gewaschen, genau wie die Laken, und roch nur nach dem Waschmittel, das Patsy benützte.
    Groll stieg in Kevin hoch. Es war, als hätte Patsy gewußt, daß ihr Sohn sterben würde, und sich deshalb angeschickt, alles bereit zu machen; sie hatte die Bettwäsche gewaschen, das Zimmer gekehrt, seine Sachen in der Kommode verstaut. Gott verdamm diese Frau, die immer alles sauber und ordentlich haben wollte. Wäre sie nicht so besorgt gewesen, daß immer alles frisch geschrubbt war - einschließlich Mattie selbst -, dann wäre vielleicht jetzt noch etwas von dem Jungen in diesem Zimmer übrig. Vielleicht sogar sein Geruch. Oh, Gott verdamm sie!
    »Kev?« Sie stand in der offenen Tür, ein unförmiger Schatten in zerknittertem Morgenrock, der auf einer Seite fast bis zum Knie hochgezogen war, über ihrer Brust halb offen herabhing. Der Stoff war fleckig. Es war nicht mehr dasselbe Kleidungsstück, das Matthew ihr gerade erst letztes Weihnachten geschenkt hatte.
    »Colonel Bonnamy und Jean sagten, ich soll ihn dir schenken, Mum. Sie sagten, es würde dir bestimmt ganz besonders gefallen. Ja? Gefällt er dir, Mama? Die Hausschuhe hab ich extra dazugekauft, siehst du? Aber ich konnte nicht richtig sehen, ob sie wirklich zu den Drachen passen.«
    Kevin versuchte, sich gegen die Kraft der Erinnerung zu stemmen. Der Junge war tot. Tot! Nichts würde ihn zurückbringen.
    Er sah, wie Patsy zaghaft ins Zimmer trat. »Die Polizei war wieder hier«, sagte sie.
    »Na und?« Er hörte selbst den Ärger in seiner Stimme.
    »Mattie ist nicht weggelaufen, Kev.«
    Kevin meinte, Erleichterung in ihrer Stimme zu hören, und konnte es nicht glauben. Daß so eine läppische Tatsache sie tatsächlich tröstete! Als änderte es etwas daran, daß Mattie tot war. Ihnen für immer genommen war.
    »Hast du gehört, Kev? Mattie ist nicht -«
    »Verdammt noch mal, Pats. Glaubst du, das interessiert mich? Was, zum Teufel, ändert es an den Tatsachen?«
    Sie zuckte zusammen, sprach aber weiter. »Wir haben der Polizei gleich gesagt, daß er niemals weggelaufen wäre, nicht? Wir hatten recht, Kev. Mattie ist nie vor irgendwas davongelaufen.« Sie trat noch etwas weiter ins Zimmer. Ihre Hausschuhe klapperten auf dem Holz.
    »Sie haben seine Kleider in der Schule gefunden. Darum glauben sie, daß er noch dort war, als er - als er -«
    In Kevin krampfte sich alles zusammen. Der Druck hinter seinen Augen verstärkte sich, pochte schmerzhaft in seinem Kopf.
    »Die Polizei weiß alles über Mattie. Sie haben es irgendwie rausgekriegt, weil er die Farben nicht unterscheiden konnte. Sie wissen, daß er - daß er - sie wissen, daß er nicht unser richtiger Sohn war, Kev. Ich habe ihnen erzählt, wie er zu uns kam. Von Mr. Byrne. Von -«
    »Nicht unser richtiger Sohn?« fuhr Kevin sie an. »Was war er denn sonst? Matts Herkunft geht keinen was an, verstehst du, Pats? Keinen. Auch nicht die Polizei.«
    »Aber sie müssen doch wissen -«
    »Sie müssen überhaupt nichts wissen. Wozu denn, kannst du mir das mal sagen? Mattie ist tot. Er kommt nie wieder zurück. Da kann die beschissene Polizei tun, was sie will, daran ändert sich nichts. Kapierst du's jetzt endlich?«
    »Aber sie müssen rauskriegen, wer ihn getötet hat, Kev. Das müssen sie.«
    »Lebendig wird er davon auch nicht wieder. Herrgott noch mal, kapierst du das nicht? Du dumme Gans!«
    Sie stieß einen Schrei aus wie ein Tier, das geschlagen worden ist. »Ich wollte doch nur helfen.«
    »Ach, helfen wolltest du? Wem denn, verdammt noch mal?« Kevin umklammerte das Kopfkissen mit seinen staubigen Händen.
    »Du machst Matties Bett ganz dreckig.« Patsys Ton war quengelig. »Jetzt muß ich's frisch beziehen.«
    Kevin riß den Kopf in die Höhe. »Wozu?« fragte er, und als sie nicht antwortete, begann er zu brüllen.
    »Wozu,

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