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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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gearbeitet; um ihm ein schönes Zuhause und ein unbeschwertes Leben bereiten zu können. Jetzt, wo er tot war, spielte es keine Rolle, wo sein Vater arbeitete oder ob er überhaupt arbeitete.
    Der Regen machte den Marmor glitschig. Kevin klemmte ihn fester unter den Arm. Im trüben, regenverschleierten Licht der hohen schwarzen Straßenlampen tappte er in seinen schweren Arbeitsstiefeln durch die Pfützen, ohne die Kälte zu spüren, ohne darauf zu achten, daß der Regen ihm Haar und Kleider durchnäßte. Er war naß bis auf die Haut, als er vor dem Haus ankam.
    Die Tür war unverschlossen, nicht einmal richtig zu, und ohne seinen kostbaren Stein aus den Händen zu lassen, drückte Kevin die Tür mit der Schulter auf und trat ins Haus. Patsy saß mit Matties Foto auf dem Schoß in dem alten karierten Sessel. Sie blickte nicht auf, als er hereinkam. Auf dem Tisch vor ihr stand ein Teller mit einem angebissenen Brot. Der Anblick machte Kevin plötzlich wütend. Daß sie überhaupt ans Essen denken konnte! Daß sie daran denken konnte, sich ein Brot zu streichen! Am liebsten hätte er sie angeschrieen, aber er beherrschte sich.
    »Kev ...«
    Wieso klang ihre Stimme so schwach? Sie hatte sich doch mit den Broten bestimmt gut über Wasser gehalten. Ohne ein Wort zu sagen, ging er an ihr vorbei zur Treppe auf der anderen Seite des Kamins.
    »Kev!«
    Seine Stiefel polterten auf dem nackten Holz. Wasser tropfte von seinen Kleidern. Einmal entglitt ihm der Stein und schlug an die Wand. Er fing ihn gerade noch auf und ging weiter bis in den zweiten Stock, wo Matthews Zimmer war, ein kleiner Raum unter dem Dach mit einem einzigen Mansardenfenster, durch das gedämpftes Licht von der Uferstraße schimmerte und auf die Skulptur des Nautilus fiel, die Kevin am vergangenen Abend heraufgetragen und auf Matthews Kommode gestellt hatte. Er hätte nicht sagen können, warum er es getan hatte; es schien ihm einfach, als müsse das Zimmer jetzt, wo er nicht mehr da war, Matthew ganz zu eigen gemacht werden. Daß er den Nautilus heraufgebracht hatte, war nur der erste Schritt gewesen; andere würden folgen.
    Vorsichtig ließ er den Marmorblock zum Boden hinunter und lehnte ihn an die Kommode. Als er sich aufrichtete, fand er sich wieder dem Nautilus gegenüber und berührte mit einer Hand sachte den Stein. Er strich mit dem Daumen die Rundung der Schale entlang und schloß die Augen, um nur zu fühlen. Er erforschte die ganze Oberfläche und Gestalt des steinernen Geschöpfs von Matthews Hand.
    »Es soll wie ein Fossil werden, Dad. Siehst du's hier auf der Zeichnung? Wie so was, was man ausgräbt, weißt du. Oder in einem Felsen findet. Was meinst du? Ist die Idee gut? Kann ich einen Stein haben, damit ich's machen kann?«
    Er konnte die Stimme hören, so eifrig, so klar. Es war, als wäre der Junge bei ihm im Zimmer, als sei er nie aus Hammersmith fortgegangen. Er war ihm so nahe. Mattie war ihm so nahe.
    Kevin tastete nach dem Griff der obersten Kommodenschublade und riß sie auf. Seine Hände zitterten, sein Atem kam und ging in gewaltsamen Stößen. Der Regen trommelte aufs Dach, strömte gurgelnd durch die Regenrinnen, und ein paar Sekunden lang konzentrierte er sich auf diese Geräusche, um alle anderen Gedanken zu vertreiben. Er rang um Beherrschung und fand sie, indem er seine ganze Aufmerksamkeit auf diese äußeren Wahrnehmungen richtete, das Trommeln des Regens, das Rauschen des Wassers, den kühlen Luftzug, der durch eine Ritze des geschlossenen Fensters drang und seinen Nacken streifte.
    Ziellos kramte er in den Wäschestücken in der Schublade, die er aufgezogen hatte. Er nahm sie heraus, schaute sie an, breitete sie auseinander, faltete sie wieder, strich glättend darüber hin. Alles war alt, für das Internat nicht geeignet oder nicht mehr schön genug. Drei geflickte Pullis, die Mattie immer getragen hatte, wenn er am Fluß gespielt hatte; zwei Unterhosen, bei denen der Gummi ausgeleiert war; ein Paar alte Socken; ein billiger Plastikgürtel; eine alte Wollmütze. Auf diesem letzten Stück blieb Kevins Hand am längsten liegen. Er sah Mattie vor sich, wie er die Mütze immer getragen hatte, tief in die Stirn gezogen, so daß die Augenbrauen nicht zu sehen waren, die Nase gekraust, weil die Wolle anfangs immer auf der Haut kratzte. Im Winter hatte er sie übergezogen, wenn der Wind über den Fluß heulte und an den Fenstern rüttelte, und sie trotz des Windes hinausgegangen waren, fest eingepackt in ihre dicken

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