Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
und spielte wieder am Schloß ihrer Schultasche.
    »Was denn, Yvonnen?«
    »Immer, wenn ich ihn nach der Schule fragte, redete er schnell von was anderem. Als wollte er am liebsten nicht drüber reden und hätte Angst, daß er doch was sagen würde, wenn ich weiterfrage. Ich wollte, ich hätt's getan.« »Na, zeig mal her, was wir da für Eierchen haben. Komm schon. Zeig her. Oooch, die sind aber klein, was? Sollen wir mal drücken? Fängt er jetzt an zu heulen? Was meint ihr? Fängt er an zu heulen?«
    »Nein! Hör auf! Bitte! Ich -«
    Lynley schaltete das Gerät aus, als Barbara wieder ins Büro kam. Sie ging an dem Sessel vor seinem Schreibtisch vorbei zum Fenster. Der Regen schlug gegen die Scheiben. Sie trank aus einem Plastikbecher. Lynley nahm einen Geruch nach Hühnersuppe wahr.
    »Haben Sie dafür gesorgt, daß sie sicher nach Hause kommt?« fragte er.
    »Constable Nkata fährt sie.« Barbara lächelte. »Er sah sie nur einmal kurz an, erkannte sofort, was für eine Schönheit er da vor sich hatte, stellte sich vor und erbot sich freiwillig, sie heimzufahren.«
    »Durchsichtig wie gewohnt.«
    »Genau.« Barbara kam zum Schreibtisch und ließ sich in einen der Sessel plumpsen. Einen Moment lang starrte sie in die Hühnerbrühe, auf der gelbe Fettaugen schwammen, dann kippte sie sie mit einer Grimasse hinunter und warf den Becher in den Papierkorb. »Somit wären wir wieder am Ausgangspunkt.«
    Lynley rieb sich die Augen. Sie taten ihm weh, als hätte er ohne seine Brille zu lesen versucht. »Möglich«, meinte er.
    »Mehr als möglich«, entgegnete sie milde. »Was da auf der Kassette zu hören ist, ist ein klarer Fall von Mißhandlung. Und genau da waren wir gestern vormittag, Inspector. Sie sagten, die Sextaner, mit denen Sie sprachen, hätten verängstigt gewirkt. Jetzt wissen wir, warum. Irgend jemand hat Matthew Whateley regelmäßig mißhandelt. Und die anderen Jungen wußten, daß sie als nächste an die Reihe kommen würden.«
    Lynley schüttelte den Kopf und nahm das Band aus dem Rekorder. »Ich seh das anders, Havers.«
    »Und warum?«
    »Weil er Yvonnen sagte, er wolle ein anderes Zimmer abhören, nicht seinen eigenen Schlafraum.«
    »Dann eben das des Brutalos.«
    »Ich würde zustimmen, wenn nicht noch die anderen Stimmen auf dem Band zu hören gewesen wären. Das waren Kinderstimmen, die Stimmen von Sextanern würde ich vermuten.«
    »Aber wer -«
    »Es muß Harry Morant sein. Passen Sie auf, wie alles zusammenpaßt, wenn wir zugrunde legen, daß Harry terrorisiert wurde und nicht Matthew. Der Täter verstieß gegen die Schulvorschriften, und das zweifellos schon seit längerer Zeit. In einer Schule wie Bredgar Chambers wird solches Verhalten nicht geduldet; der Täter mußte also mit Ausschluß rechnen, falls er entdeckt werden sollte. Matthew wußte von den Mißhandlungen. Alle wußten es. Aber keiner getraute sich, gegen den Verhaltenskodex zu verstoßen, von dem wir schon früher gesprochen haben.«
    »Sie meinen, niemals einen anderen Schüler verpetzen?«
    »Richtig. Wir brauchen uns doch nur anzusehen, wie sich das bei Matthew äußerte. Kevin Whateley erzählte uns, daß der Junge im vergangenen Halbjahr immer verschlossener geworden war. Aber Patsy sagte, er hätte nie irgendwelche Spuren am Körper gehabt. Wir können also wohl annehmen, daß ihm niemand etwas tat. Denken Sie ferner daran, was Colonel Bonnamy uns über das Gespräch berichtete, das er mit Matthew über das Schulmotto führte - ›Sowohl Stab als Rute sei die Ehre‹. Es paßt alles. Der ungeschriebene Verhaltenskodex verlangte von Matthew, über die Mißhandlungen von Harry Morant zu schweigen. Aber das Schulmotto verlangte von ihm, auf eigene Faust etwas zu unternehmen, um den Terrorakten ein Ende zu machen. Nur dann handelte er ehrenhaft. Diese Kassette hier ist gewissermaßen das Symbol seiner Entscheidung.« »Erpressung?« »Ja.«
    »Mein Gott. Es hat ihn das Leben gekostet!« »Ja, wahrscheinlich.«
    Sie sah ihn groß an. »Dann muß einer der Schüler - Sir, sie müssen alle Bescheid wissen!«
    Er nickte mit grimmiger Miene. »Wenn das hier der Grund für Matthews Ermordung ist, dann, denke ich, haben sie von Anfang an Bescheid gewußt, Sergeant. Alle.«
    Noch während er sprach, klopfte es, und Dorothea Harriman, die Sekretärin von Lynleys Abteilungsleiter, trat ein. Sie war schon zum Gehen gekleidet, ganz Lady Di im grünen Schneiderkostüm mit weißer Bluse und dreireihiger Perlenkette. Vom bizarr geformten

Weitere Kostenlose Bücher