03 - Auf Ehre und Gewissen
gewesen waren mit den platinblonden Frauen und den pockennarbigen Männern, die sie mit Grimassen gekünstelter Lust bestiegen, sie waren harmlos und unschuldig im Vergleich zu den Bildern, die vor Lynley und Barbara auf dem Konferenztisch lagen. Diese Aufnahmen sprachen weit mehr und ganz anderes an als die Neugier des Voyeurs. Sowohl Sujets als auch Posen dienten eindeutig als Kitzel für pädophile Phantasien sadomasochistischer Art.
»Da könnte sich Lockwoods schlimmster Alptraum erfüllt haben«, murmelte Barbara. Asche fiel von ihrer Zigarette auf eines der Bilder. Sie wischte sie weg.
Lynley mußte ihr zustimmen. Die Bilder zeigten durchweg nackte Erwachsene und Kinder, alle männlichen Geschlechts, und immer war das Kind Gegenstand sexueller Unterdrückung durch einen Erwachsenen: unter Zuhilfenahme einer Pistole, die an die Schläfe eines Kindes gedrückt wurde, eines Messers, das an den Hoden lag, Fesseln, die ein Kind, dem man die Augen verbunden hatte, wehrlos machten, eines funkensprühenden Elektrokabels, bedrohlich erhoben. Auf allen Fotos machten sich die bedrohten Kinder an grinsenden, hocherregten Männern zu schaffen, wehrlose kleine Sklaven in einer Welt pervertierter sexueller Phantasien.
»Sie bestätigen Colonel Bonnamys Behauptung«, fuhr Barbara fort.
»Allerdings!« meinte Lynley.
Ganz abgesehen von dem, was die Bilder zeigten, war nicht über die Tatsache hinwegzusehen, daß auf jedem von ihnen Menschen unterschiedlicher Rasse gepaart waren, Weiße mit Indianern, Schwarze mit Weißen, Orientalen mit Schwarzen, Weiße mit Orientalen. Lynley mußte an Colonel Bonnamys These denken, daß die Ermordung Matthew Whateleys einen rassistischen Hintergrund haben könne, und ihm war klar, daß es unmöglich war, eine Verbindung zwischen der Ermordung des Jungen und diesen Fotografien einfach zu leugnen.
»Schaut übel aus. Schaut ganz übel aus. Aber wenn man sich's recht überlegt, Sir, war das für Pritchard doch ein Glück, daß er diese Fotos in seinem Zimmer hatte. Wirklich ein Glück. Als hätte er nur darauf gewartet, daß wir kommen und ihn verhören, damit er sie uns auf den Tisch legen und den Verdacht von sich ablenken kann.«
Mit nachdenklich zusammengekniffenen Augen starrte Barbara auf das Ende ihrer Zigarette. »Denn ohne diese Bilder sähe es für den Jungen doch ziemlich schlecht aus, nicht?«
»Das alles sehe ich auch, Sergeant. Aber außerdem sehe ich das, was vor uns auf dem Tisch liegt. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, wir können weder das ignorieren, was diese Bilder darstellen, noch die offenkundige Möglichkeit, daß zwischen ihnen und Matthew Whateleys Tod eine Verbindung besteht.«
Barbara kam zu ihm an den Tisch zurück und drückte ihre Zigarette in einem Kristallaschenbecher aus, der dort stand. Sie seufzte. »Zeit für einen Besuch bei Emilia, nehme ich an?«
»Richtig.«
Sie fanden die Chemielehrerin allein im Chemiesaal. Sie stand, mit dem Rücken zu ihnen, vor dem altmodischen Abzug aus Glas und Mahagoni. In der langen schwarzen Robe sah sie aus wie ein verkleidetes Kind.
Sie warf einen Blick über die Schulter nach rückwärts, als Lynley und Havers ins Zimmer traten und die Tür hinter sich schlossen. Bei der Bewegung bauschte sich ihr feines Haar wie Flaum.
»Ich bereite hier gerade ein lustiges kleines Experiment vor«, bemerkte sie erklärend und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Sie traten zu ihr. Die vordere Glasscheibe des Abzugs war fast ganz heruntergezogen, so daß darunter gerade noch Raum für ihre geschickt arbeitenden Hände war. Auf den gesprungenen weißen Kacheln im Inneren stand ein Becherglas mit einer Flüssigkeit, der sie eine feste Substanz beigab. Sie rührte die Mischung mit einem Glasstab um und wartete ab, während sich ein zweiter fester Stoff zu bilden begann.
»Ammoniumhydroxyd und Iod«, erklärte sie, als seien sie gekommen, ihre Vorstellung zu beurteilen. »Sie bilden zusammen Ammoniumtri-Iod.«
»Und das ist das lustige Experiment?« fragte Lynley.
»Die Schüler finden es jedesmal herrlich.«
»Und die Gefahr dabei? Finden sie die auch herrlich?«
»Gefahr?« wiederholte sie verwirrt.
»Sie arbeiten doch im Abzug«, sagte Lynley. »Ich nehme an, bei der Mischung der Chemikalien wird irgendein Gas freigesetzt.«
Sie lachte. »O nein, Gefahr gibt's dabei überhaupt keine. Höchstens eine Schweinerei, wenn man nicht aufpaßt. Schauen Sie. Ich habe hier schon einen Vorrat hergestellt.« Aus einer Ecke des Abzugs
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