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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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der Öffnung, nur umrißhaft in der Finsternis.
    »Was -« begann Jean und sah den erhobenen Arm mit dem Rechen.
    Im selben Moment sauste der Rechen herunter, spitzes Metall schlug in ihren Hals. Sie stürzte zu Boden. Sie wälzte sich weg. Sie hob schützend die Hände über den Kopf. Der Rechen fand sie immer wieder. Der Schmerz war grauenvoll. Sie schmeckte ihr eigenes Blut.
    Aus weiter Ferne hörte sie das panische Bellen des Hundes.

    St. James stieg langsam und mühevoll die Leiter hinauf, aber sein Gesicht blieb unbewegt. Lynley, der oben wartete, wußte, daß der Freund keine Hilfe wollte. Dennoch hielt er unwillkürlich den Atem an, bis St. James schließlich sicher neben ihm im engen Korridor stand.
    Er reichte ihm eine Taschenlampe. »Hier ist es«, sagte er und leuchtete mit seiner eigenen Lampe zu der Tür am Ende des Ganges.
    Es war nach sechs. Das Haus war still und leer, Schüler und Lehrer saßen im Speisesaal beim Abendessen. Nur Clive Pritchard war im Haus Kalchas, gefangen und bewacht.
    »Was haben die hier für ein Heizsystem?« fragte St. James, als er Lynley in die kleine Dachkammer folgte.
    »Zentrale Dampfheizung.« »Na, da ist bestimmt nichts passiert.«
    »Ja, aber es ist auch ein offener Kamin da.«
    St. James richtete den Lichtstrahl seiner Lampe auf den Kamin. Die Leute von der Spurensicherung hatten Asche und Abfälle entfernt. »Du denkst an Kohlengas, oder?«
    »Ich denke im Augenblick an gar nichts.«
    St. James nickte nur und machte sich daran, den Kamin zu untersuchen. Er ließ sich zum Boden hinab und leuchtete mit der Lampe in den Abzug hinauf. »Die Frage ist, wo würde ein Schüler Kohle herkriegen, um sie hier zu verbrennen?«
    »Aus jedem der Häuser. Sie haben alle offene Kamine.«
    St. James warf ihm einen forschenden Blick zu. »Du möchtest unbedingt, daß dies der Tatort ist, nicht wahr, Tommy?«
    »Darum habe ich dich geholt. Damit du feststellst, ob ja oder nein. Ich hoffe, ich habe mittlerweile gelernt, vorsichtig zu sein und darauf zu achten, wenn mir die Objektivität abhanden kommt.«
    »John Corntel?«
    »Ich glaube es nicht. Aber ich muß sicher sein.«
    St. James antwortete nichts. Schweigend inspizierte er einige Minuten lang den offenen Kamin, ehe er sich wieder aufrichtete und die Hände aneinander rieb, um sie von Staub zu befreien.
    »Der Abzug ist in Ordnung«, sagte er. »Das ist nicht die Quelle.« Er ging zur Wand und leuchtete die Rohre ab, die sich wenig über dem Boden entlangzogen. »Wasserleitungen«, stellte er fest. »Nirgends Gas.«
    Der Regen prasselte ans Fenster. St. James ging hinüber, sah sich aufmerksam den schmalen steinernen Sims an, ließ den Strahl seiner Lampe an den Deckenbalken entlangwandern, in die Ecken des kleinen Raums, über den ausgetretenen Boden. Am Ende schüttelte er den Kopf.
    »Meiner Ansicht nach kann Matthew Whateley nicht hier gestorben sein, Tommy. Es ist möglich, daß er eine Zeitlang hier festgehalten wurde - das wird dir die Spurensicherung sagen können -, aber gestorben ist er nicht hier. Was hat Canerone dir sonst noch sagen können?«
    »Die Rückstände unter den Zehennägeln und an Schultern und Gesäß des Jungen enthielten Kali. Ich halte es für möglich, daß er das Zeug aus dieser Kammer hier mitgenommen hat. Du hättest sehen sollen, wie es hier aussah, ehe die Spurensicherung da war.«
    St. James runzelte skeptisch die Stirn. »Ich kann mir nicht denken, daß man hier Kali aufbewahrt hat, Tommy.«
    »Wieso nicht?«
    »Es ätzt zu stark. Wer mit solchen Substanzen umgehen muß, ist im allgemeinen sehr vorsichtig. Es zerfrißt Glas und Ton. Auch Eisen. Greift die Haut an. Es ist eine chemische Verbindung - Kalium mit Wasser -, die man vielleicht ...«
    Lynley hob abwehrend die Hand. Das Bild stand ihm klar vor Augen. Er hatte es gesehen, hatte sie gesehen, ihre geübten Bewegungen beobachtet. Nur Stunden war es her. Das Entsetzen angesichts der Möglichkeit eines so ungeheuerlichen Verbrechens verschlug Lynley einen Moment die Sprache.
    »Was ist denn?« fragte St. James.
    Er formulierte seine Frage. Die Antwort des Freundes würde über Schuld und Unschuld entscheiden. »St. James«, sagte er, »kann Kohlenmonoxid hergestellt werden?«
    »Hergestellt? Warum fragst du das? Deswegen sind wir doch hier heraufgekommen, um festzustellen, wie es hier vielleicht entstehen konnte.«
    »Nein, ich meine nicht als Nebenprodukt. Ich meine, ob man es ganz gezielt herstellen kann. Gibt es Chemikalien, bei deren

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