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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Reinigungsmitteln verwendet wird. Ich denke, der Raum, den Sie suchen, ist ein Lagerraum. Vielleicht ein Ort, wo die Reinigungsmittel aufbewahrt werden. Ein Schuppen. Irgendein Nebengebäude.« Canerone schenkte sich eine zweite Tasse Tee ein. »Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß er im Kofferraum des Fahrzeugs, in dem er starb, mit dem Zeug in Berührung gekommen ist. Wenn das zutrifft, sollten Sie vielleicht nach einem Fahrzeug suchen, in dem Vorräte für die Schule befördert werden.«
    Canerone sprach weiter, aber Lynley hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Er war mit seinen Gedanken woanders. Er hielt sich die Informationen vor Augen, die er in der letzten Viertelstunde erhalten hatte, und mußte sich eingestehen, daß er möglicherweise mit Gewalt versuchte, die Tatsachen einer vorgefertigten Theorie anzupassen, anstatt die Fakten zu sammeln und seine Theorie auf ihrer Grundlage aufzubauen. Es war immer ein Risiko, wenn man einen Fall bearbeitete, daß man die Distanz verlor, die objektive Sachlichkeit garantiert, noch ehe man alle Informationen beisammen hatte. Er hatte sich schon einmal auf diesen Irrweg locken lassen, gerade darum sah er jetzt seine Neigung, voreilige Schlüsse zu ziehen, ganz klar. Und ebenso erkannte er seinen Hang, sich bei der Interpretation der Fakten von Emotionen beeinflussen zu lassen, die ihren Ursprung in alter Freundschaft hatten. Gegen diese Tendenz mußte er sich wappnen und sich zwingen, jedes Indiz auf seine Beweiskraft zu prüfen.
    Gefahr barg bei der Ermittlungsarbeit in einem Mordfall auch immer die Notwendigkeit schnellen Handelns. Je rascher es der Polizei gelang, die relevanten Fakten zusammenzutragen, desto wahrscheinlicher war es, daß es zu einer Festnahme kommen würde. Aber damit einher ging das Risiko, daß die Realität teilweise ausgeblendet wurde. Das Bestreben, einen Schuldigen zu finden, führte nicht selten zur unbewußten Unterdrückung einer Tatsache, die, hätte man sie beobachtet, in eine ganz andere Richtung gewiesen hätte. Auch darüber war sich Lynley im klaren. Und er sah, wie sich diese Faktoren auf die vorliegende Ermittlungsarbeit auswirkten.
    Die Erkenntnis, daß Matthew Whateley an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben war, hatte dem Fall eine ganz neue Wendung gegeben. Wenn der Junge aber nicht in der Mansarde gestorben war, dann bedeutete das, daß Clive Pritchard - so gern Lynley ihn als Schuldigen gesehen hätte - mit Matthews Tod nichts zu tun und ihnen die Wahrheit gesagt hatte. Damit aber führte der Weg unerbittlich zurück zu den Fotografien und John Corntel.
    Es mußte eine Möglichkeit geben zu verifizieren, daß die Mansarde im Haus Kalchas nicht der Ort gewesen sein konnte, wo Matthew Whateley das tödliche Gas eingeatmet hatte. Das mußte geschehen, ehe der nächste Schritt unternommen werden konnte. Und Lynley wußte auch schon, wen er sich dafür holen wollte: Simon Allcourt-St. James.

    »Letzten Dienstag«, sagte Colonel Bonnamy lallend. Gegen Ende des Tages, wenn seine Kräfte nachließen, wurde ihm immer die Zunge schwer. »Letzten Dienstag, Jeannie.«
    Jean schenkte ihrem Vater nur eine halbe Tasse Tee ein. Er wurde abends, wenn er müde und erschöpft war, meistens so zittrig, daß er höchstens eine zur Hälfte gefüllte Tasse zum Munde führen konnte, ohne etwas zu verschütten. Und er wollte die Tasse unbedingt selbst halten. Auf keinen Fall wollte er gefüttert werden wie ein kleines Kind; lieber nahm er Speisen und Getränke in kleineren Portionen zu sich. Jean konnte es verstehen. Sie wußte, wie wichtig ihm seine Würde war.
    »Ich weiß, Vater«, antwortete sie, aber sie wollte nicht über Matthew sprechen. Dann würde sie nur zu weinen anfangen, ihr Vater würde ebenfalls die Fassung verlieren, und das war in seinem Zustand gefährlich. Sein Blutdruck war in den letzten zwei Tagen beängstigend hoch gewesen.
    »Gestern wäre er bei uns gewesen, Jean.« Der Colonel hob die Tasse zum Mund. Ihr Rand schlug leise klappernd an seine Zähne.
    »Soll ich mit dir Schach spielen, Vater? Hast du Lust?«
    »Statt Matthew? Nein. Laß das Brett wie es ist.« Der Colonel stellte die Tasse ab und nahm sich eine Scheibe Brot von dem Teller, der auf dem Tisch zwischen ihnen stand. Er fröstelte.
    Als Jean es sah, wurde ihr bewußt, wie kalt es im Wohnzimmer geworden war. Draußen kam die Dunkelheit sehr rasch, begleitet vom fortdauernden Regen und schwarzen Wolken, und mit dem vorabendlichen Zwielicht schlich sich klamme

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