03 - Auf Ehre und Gewissen
dir kriechen muß. Geht's dir darum? Ist es das, was du willst? Dann solltest du lieber mal gründlich nachdenken, mein Junge. Wenn nicht, werde ich zu dieser Tür hinausgehen, und du kannst diese Suppe allein auslöffeln. Ist das klar? Hast du mich verstanden?«
»Raus!« sagte Brian.
»Ich warne dich, Brian. Das ist kein Spiel mehr. Du hörst mir jetzt zu. Verdammt noch mal, hör mir zu. Dazu wirst du doch wenigstens fähig sein, wenn du schon sonst nichts kannst.«
Brian riß sich so gewaltsam von seinem Vater los, daß er auf seinen Stuhl zurückflog. »Raus!« schrie er. »Fahr heim nach London. Bums mit deiner Reva oder wie sie heißt. Aber hau endlich ab. Laß mich allein. Das konntest du immer schon am besten.«
»Du bist wie deine Mutter«, sagte Byrne verächtlich.
»Genau wie deine Mutter. Widerlich. Alle beide.«
»Dann hau ab!« schrie Brian wieder.
»Dieses Vergnügen werde ich dir nicht machen«, zischte Byrne und griff nach seinen Zigaretten. Die Flamme seines Feuerzeugs zitterte, als er die Zigarette anzündete. »Verhören Sie ihn, soviel Sie wollen, Inspector. Ich habe mit diesem Burschen nichts mehr zu tun.«
»Ich brauche dich überhaupt nicht«, brüllte Brian. »Ich habe selber Freunde. Ich hab Freunde genug.«
Nicht mehr, dachte Lynley. »Chas Quilter ist tot«, sagte er. »Er hat sich heute abend erhängt.«
Brian wirbelte herum. »Das ist gelogen.«
»Nein. Es ist die Wahrheit«, sagte St. James vom Fenster her. »Wir sind eben aus Stoke Poges zurückgekommen, Brian. Chas war zuerst bei Cecilia. Danach erhängte er sich an der Eibe im Friedhof. Du weißt, welche ich meine.«
»Nein!«
»Er meinte wohl, damit schlösse sich der Kreis des Verbrechens«, sagte Lynley. »Vielleicht suchte er sich die Eibe aus, weil er nicht genau wußte, wo du Matthew niedergelegt hattest. Hätte er gewußt, unter welchem Baum du Matthew am Samstag abend niedergelegt hattest, so hätte er bestimmt den gewählt. Es wäre eine Art von Gerechtigkeit nach seinem Sinn gewesen.«
»Ich war es nicht!«
»Doch Brian, du warst es. Du hast es für Freundschaft getan. Für Liebe. Um dir die Zuwendung desjenigen Menschen zu sichern, den du am meisten bewundert hast. Du hast Matthew Whateley für Chas getötet, nicht wahr?«
Er begann zu weinen.
Sein Vater sagte: »O Gott. Nein.« Und dann nichts mehr.
Lynley sprach ruhig und gedämpft, wie ein Vater, der ein Märchen erzählt und nicht die Geschichte eines Verbrechens. »Ich vermute, Chas kam entweder noch spät am Dienstagabend zu dir oder vielleicht irgendwann am Mittwoch. Und Chas kam zu dir, Brian, um dir alles zu erzählen.«
Der Junge hielt die Hände auf sein Gesicht gedrückt und weinte.
»Er hatte Angst«, führt Lynley fort. »Er fürchtete, Matthew könnte melden, was er gesehen hatte. Und das sagte er dir. Er brauchte einfach jemanden, mit dem er darüber sprechen konnte. Er hatte überhaupt keine Absicht, Matthew etwas anzutun. Er suchte wahrscheinlich nur Beruhigung bei dir, so wie das unter Freunden üblich ist. Aber dir ist schnell ein Mittel eingefallen, um seine Befürchtungen zu stillen, nicht wahr? Und um dich gleichzeitig seiner immerwährenden Freundschaft zu versichern.«
»Aber er war doch mein Freund. Er war es sowieso.«
»Ja, sicher, er war dein Freund. Aber es bestand die Gefahr, daß du ihn verlieren würdest, wenn er nach Cambridge ging; besonders, falls du selbst dort nicht genommen werden solltest. Darum wolltest du ihn an dich binden, du wolltest etwas, das sicherer war als die Verbundenheit gemeinsam verbrachter Schuljahre. Und das Mittel dazu war Matthew Whateley. Und ebenso Clive Pritchard. Dein Plan nützte allen Beteiligten. Clive konnte sich mit Matthew vergnügen - ihn am Freitag nach dem Sport oben in der Dachkammer über dem Bodenraum mit brennenden Zigaretten foltern, um ihn dazu zu bringen, ihm das Versteck der zweiten Kassette zu sagen -, Chas würde wieder ruhig schlafen können, da er nach Matthews Tod nicht mehr fürchten mußte, daß der Kleine ihn verraten würde, und du konntest Chas mit der Tat den unwiderlegbaren Beweis deiner selbstlosen Freundschaft liefern.« - »Das ist nicht wahr«, sagte Giles Byrne. »Das kann nicht wahr sein. Sag es ihm. Es kann nicht wahr sein.«
»Es war ein kluger Plan, Brian. Sehr kühn und sehr intelligent. Du wolltest Matthew töten, um Chas zu beschützen, und Clive würde glauben, er selbst sei am Tod des Jungen schuld. Ich nehme an, du holtest dir Miss Bonds
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