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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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widerlich riechenden Morgenrock fest um sich und setzte sich auf das Sofa.
    »Wir haben eine Verhaftung vorgenommen«, sagte der Inspector. »Das wollte ich Sie gleich wissen lassen. Darum sind wir so spät noch gekommen.«
    Die Worte drangen wie aus weiter Ferne an Kevins Ohr. »Wir haben eine Verhaftung vorgenommen.« Es war also vorbei.
    Er hörte Patsys Stimme, aber ihre Antwort auf die Worte des Inspectors erreichte ihn nicht. Nichts drang mehr zu ihm durch nach dieser Erklärung. »Wir haben eine Verhaftung vorgenommen.« Aus irgendeinem Grund ging mit diesen Worten eine Endgültigkeit einher, auf die Kevin nicht gefaßt gewesen war. Matthews Tod wurde Realität. Es war kein Alptraum mehr, aus dem Kevin zu erwachen hoffen konnte. Diese Möglichkeit war aufgehoben. Die Polizei nimmt bei Alpträumen keine Verhaftung vor. Sie nimmt nur Verhaftungen vor, wenn der Alptraum Wirklichkeit ist.
    Kevin merkte selbst erst, daß er aufgestanden war, als er hörte, wie Patsy ihn beim Namen rief. Aber da war er schon an der Treppe, und ohne sich umzudrehen, stieg er die Stufen hinauf wie von Nebeln eingehüllt. Unten hörte er das Gespräch, das weiterging. Fragen wurden gestellt. Namen wurden genannt. Teilnahme wurde ausgedrückt. Aber all das interessierte Kevin nicht. Seine Aufmerksamkeit war einzig auf die Treppe gerichtet, die er Schritt um Schritt hinaufging, das Holz hart unter seinen Füßen.
    Die Tür zu Matthews Zimmer stand offen. Kevin ging hinein, schaltete das Licht an und setzte sich auf das Bett. Er sah sich alles an, betrachtete jeden Gegenstand in all seinen Einzelheiten und versuchte, das Bild seines Sohnes heraufzubeschwören. Da war die Kommode, neben der Matthew sich morgens immer angezogen hatte. Er hatte die Sachen kunterbunt herausgerissen, vor lauter Eile hinauszukommen. Da war der Schreibtisch, an dem er immer seine Hausaufgaben gemacht und die kleinen Häuser für ihre elektrische Eisenbahnanlage gebastelt hatte. Da, auf dem Korkbrett an der Wand, hatte er Fotos von Familienausflügen hingepinnt, Bilder von Lokomotiven, Andenken an Ferien, die sie gemeinsam verbracht hatten. Dort auf dem Regal standen seine Bücher und die schmuddeligen Stofftiere, von denen er sich nicht hatte trennen können. Aus diesem Fenster hatte er sich hinausgelehnt, um die Boote auf der Themse zu beobachten. Und in diesem Bett hatte er dreizehn Jahre lang sicher und wohlbehalten geschlafen.
    »Mattie, Mattie, Matt«, flüsterte er. Aber keiner antwortete. Nichts war in diesem Zimmer außer den Gegenständen, die Matthew gehört hatten. Aber sie waren nicht sein Sohn. So verzweifelt er es versuchte, er konnte Matthew aus dem Holz, dem Papier, dem Glas, dem Stoff, die alle zu seinem Leben gehört hatten, nicht hervorlocken.
    Schau doch, Dad! Schau her, schau her!
    Kevin wünschte sich so sehr, es zu hören. Aber die Stimme blieb stumm. Nur wenn er die Worte selbst sagte, gewannen sie Leben. Matthew würde sie nie wieder sagen.
    »Wir haben eine Verhaftung vorgenommen.« Es war vorbei.
    Kevin stand vom Bett seines Sohnes auf und ging zur Kommode. An ihrem Fuß lehnte der Marmorblock, den er erst gestern mit nach Hause gebracht hatte. Er hob ihn hoch, trug ihn zum Bett zurück, legte ihn auf seine Knie. In der Tasche hatte er den Bleistift, den er bei der Arbeit zu benützen pflegte. Er kramte ihn heraus, hielt ihn in der Hand und starrte auf den Stein.
    Seine Hand zitterte über dem fein gemaserten glatten Stein. »Mattie«, flüsterte er. »Mattie. Mattie.«
    Er drückte den Bleistift auf den kalten Marmor. Er zeichnete den ersten Buchstaben. Er schrieb den Namen. Darunter die Worte »Geliebter Sohn«. Und darunter die weiche Rundung einer Muschelschale.
    »Es wird ein Nautilus, Mattie«, sagte er. Aber es kam keine Antwort. Matthew war wirklich tot.
    »Kev!«
    Patsy war ins Zimmer getreten. Er konnte sie nicht ansehen. Er fuhr in seiner Arbeit fort.
    »Sie sind weg, Kev. Der Inspector hat gesagt, wir können Mattie jetzt holen.«
    Er konnte nicht sprechen. Jetzt nicht. Nicht über Matthew. Nicht mit seiner Frau. Er fuhr mit seiner Arbeit fort. Sie kam zum Bett. Er fühlte, wie sie sich neben ihn setzte, und wußte, daß sie las, was er auf den Stein geschrieben hatte. Als sie sprach, war ihre Stimme voll Zärtlichkeit. Sie legte ihre Hand auf die seine.
    »Das fände er schön, Kev. Die Muschel würde Mattie gefallen.«
    Er ließ den Bleistift fallen. Einen letzten Moment noch klammerte er sich an die kalte Härte des

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