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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zunächst in aller Ausführlichkeit: vielleicht fünfunddreißig Jahre alt, braunes Haar, graue Augen, am Hals unter dem rechten Ohr ein großes Muttermal, das sie zu verbergen versuchte, indem sie immer wieder ihr Haar nach vorn zog und schließlich den Kragen ihrer Bluse aufstellte und zusammenhielt. Sie lächelte viel und war, sicher ohne sich dessen bewußt zu sein, ständig dabei, sich zu putzen, strich sich über das Haar, spielte mit den Knöpfen ihrer Bluse, schob die Hand die Beine hinauf, um sich zu vergewissern, daß ihre Strümpfe richtig saßen.
    »Als wolle sie kokettieren?« fragte Lynley interessiert.
    »Mit wem denn? Waren Sie mit Chas bei ihr?«
    »Ich hatte den Eindruck, daß sie das bei jedem männlichen Wesen tut, Sir, ob's nun Chas ist oder ein anderer. Während wir bei ihr waren, kam nämlich einer der anderen Großen herein und sagte, er hätte Halsschmerzen. Sie lachte und gackerte und neckte ihn. Und als sie ihm das Thermometer in den Mund steckte, sagte sie: ›Ohne mich haltet ihr's nie lange aus, wie?‹, und dann tätschelte sie ihm die Wange.«
    »Und was halten Sie davon?«
    Havers machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich glaube nicht, daß sie sich mit einem der Jungen einlassen würde - sie muß fast zwanzig Jahre älter sein. Aber ich hab den Eindruck, daß sie ihre Bewunderung dringend braucht.«
    »Verheiratet?«
    »Die Jungen nannten sie Mrs. Laughland, aber sie trägt keinen Ehering. Geschieden, vermute ich. Sie ist seit drei Jahren hier an der Schule, und ich wette, sie hat gleich nach der Scheidung angefangen.«
    »Wie sieht es mit den Befreiungsscheinen aus?« fragte Lynley.
    »Sie liegen in ihrem Schreibtisch. Aber der ist nicht abgesperrt. Und es gibt keine Aufsicht auf der Krankenstation.«
    »Könnte Matthew an sie herangekommen sein?«
    »Ich meine, ja. Besonders wenn sie im kritischen Moment abgelenkt war. Wenn einer von den Großen bei ihr war, als Matthew reinkam, um den Schein zu klauen, wäre sie bestimmt viel zu beschäftigt gewesen, um auf den Kleinen zu achten. Jedenfalls nach ihrem heutigen Verhalten zu urteilen.«
    »Haben Sie die Sache angesprochen?«
    »Ich hab sie gefragt, wie der Ablauf ist. Wenn ein Schüler sich nicht wohl fühlt und nachmittags nicht am Sport teilnehmen kann, geht er auf die Krankenstation. Judith Laughland untersucht ihn - mißt die Temperatur oder was sonst notwendig ist -, und wenn er wirklich krank ist, gibt sie ihm eine Befreiung. Wenn er auf der Krankenstation bleiben muß, läßt sie die Befreiung von einem anderen Schüler dem Lehrer bringen, der das Training leitet, oder läßt den Zettel in sein Fach legen. Sonst nimmt der erkrankte Schüler selbst die Befreiung, gibt sie dem betreffenden Lehrer und legt sich dann in sein Bett.«
    »Führt sie eine Liste darüber, wer sich befreien läßt und wie oft?«
    Havers nickte. »Matthew holte sich am Freitag keine, Sir. Sie hatte nichts aufgeschrieben. Aber er hat sich vorher zweimal eine geholt. Er könnte sich die letzte Befreiung, die er bekam, leicht aufgehoben und dann einfach abgewartet haben, bis sich eine gute Gelegenheit zum Durchbrennen bot. Moment, dabei fällt mir was ein. Harry Morant. Chas und ich stießen vorhin im Rosengarten auf ihn. Er schwänzte den Unterricht.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »So gut es ging. Er konnte mir nicht in die Augen sehen und gab nur einsilbige Antworten.«
    »Und?«
    »Er war mit Matthew zusammen im Modelleisenbahn-Club.
    Dadurch haben sie sich angefreundet.«
    »Und waren sie eng befreundet?«
    »Das war schwer zu erkennen. Aber ich hatte den Eindruck, daß Harry Matthew sehr bewunderte.« Sie zögerte, kniff nachdenklich die Augen zusammen.
    »Ja, Sergeant?«
    »Ich glaube, er weiß, warum Matthew durchgebrannt ist. Und wünscht sich aus tiefstem Herzen, er könnte das auch tun.«
    Lynley zog eine Augenbraue hoch. »Das ändert einiges.«
    »Wieso?«
    »Dadurch fällt die Frage des Klassenunterschieds weg. Wenn Harry und Smythe-Andrews sich hier genausowenig wohl fühlen wie Matthew ...« Sein Blick wanderte zu Heinrich VII. hinauf, der so sicher, so zuversichtlich überzeugt davon gewesen war, daß er fähig sein würde, den Lauf der Geschichte eines Landes zu ändern.
    »Sir?«
    »Ich denke, es ist an der Zeit, mit dem Schulleiter zu sprechen.«
    Alan Lockwoods Arbeitszimmer hatte wie die Kapelle den Blick nach Osten, und wie die Kapelle zeichnete es sich durch Attribute aus, die beeindrucken mußten. Ein großer Erker, dessen

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