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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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das könnte Giles Byrne gewesen sein?«
    »Nun, das dürfte sich leicht feststellen lassen.«
    »Wenn es wirklich Byrne war, wer weiß, was für versteckte Pläne er dann damit verfolgte, daß er Matthew für das Stipendium vorschlug, Sir. Und warum hat Edward Hsu sich kurz vor seinem Abschlußexamen das Leben genommen? Ist Giles Byrne ihm vielleicht zu nahe getreten? Oder hat ihn sogar verführt? Und sucht jetzt seit vierzehn Jahren einen Nachfolger, einen anderen hübschen Jungen, den er vernaschen kann?« Sie sah Lynley mit blinzelnden Augen an. »Was stand auf dem Eisenbahnfoto in Matthews Schlafraum?«
    »Puff, puff, kleines Zuckerpüppchen.«
    Lynley dachte an sein Gespräch mit Kevin Whateley am vergangenen Abend. »Matthews Vater sagte«, bemerkte er, »daß der Junge in den letzten Monaten auffallend still und verschlossen wurde. Wie in Trance, formulierte er es. Offensichtlich hat ihn etwas bedrückt, aber er wollte nicht darüber sprechen.«
    »Vielleicht nicht mit seinem Vater. Aber doch bestimmt mit jemand anderem.«
    »Nach dem, was Sie mir berichtet haben, könnte es sehr gut Harry Morant gewesen sein.«
    »Ja, das ist möglich. Aber ich glaube nicht, daß Harry die Absicht hat, den Mund aufzumachen.«
    »Noch nicht. Ich kann mir denken, daß er Zeit zum Nachdenken braucht. Um sich zu überlegen, wem er trauen kann. Er will keinesfalls den gleichen Fehler machen wie Matthew.«
    »Glauben Sie, er weiß, wer Matthew getötet hat, Sir?«
    »Das nicht unbedingt. Aber irgend etwas weiß er auf jeden Fall. Davon bin ich überzeugt.«
    »Warum wollten Sie dann heute nicht mit ihm sprechen?«
    »Er ist noch nicht soweit, Sergeant. Harry braucht ein wenig Zeit.«

    Seit vierzig Minuten wartete Harry im Pförtnerzimmer auf der Ostseite des Hofs. Stumm saß er auf dem Stuhl mit der lederbezogenen steifen Lehne, mit den Fußspitzen knapp den Boden berührend, die Hände in die Sitzfläche gestemmt. Der Pförtner saß an seinem Schreibtisch hinter der Theke und sortierte die Post. Er sah aus wie ein General in seiner Uniform. Jeder wußte, daß die Uniform nur Getue war. Ein Schulpförtner brauchte sich nicht herauszuputzen wie die Wache vor Buckingham Palace. Aber sie verlieh ihm eine gewisse Würde, und darum beschwerte sich keiner darüber.
    Auf Harry jedoch wirkte die Uniform eher abschreckend. Er hätte diesen Eindruck nicht in Worte fassen können; er wußte nur, daß der Pförtner mit seinem militärischen Ton, seiner militärischen Haltung und vor allem mit dieser Uniform alle auf Distanz hielt. Aber Harry wollte jetzt nicht auf Distanz gehalten werden. Er suchte Nähe. Er brauchte einen Vertrauten. Dieser Mann aber, nein, er kam nicht in Frage.
    Die Bürotür öffnete sich, und die Sekretärin des Direktors schaute herein. Kurzsichtig blinzelnd sah sie sich um, ehe ihr Blick an Harry hängenblieb.
    »Morant«, sagte sie frostig. »Der Direktor erwartet dich jetzt.«
    Harry hätte die Sitzfläche des Stuhls am liebsten überhaupt nicht losgelassen. Mit gesenktem Kopf trottete er der großen, dünnen Frau hinterher, durch einen Gang, in dem es nach Kaffee roch, und dann in das Direktorat.
    »Harry Morant, Mr. Lockwood«, sagte die Frau, ehe sie ging und die Tür hinter sich schloß.
    Harry kam sich auf dem großen ozeanblauen Teppich wie ein Gestrandeter vor. Er war noch nie im Büro des Direktors. Bestrafung war hier an der Tagesordnung. Schläge. Mit dem Rohrstock vielleicht. Eine Tracht Prügel. Er wollte es nur hinter sich bringen, wenn möglich, ohne zu weinen, und wieder verschwinden.
    »Morant.« Der Direktor schien aus großer Distanz zu sprechen. Er stand hinter seinem Schreibtisch, aber er hätte sich ebensogut auf dem Mond befinden können.
    »Setz dich.«
    Es waren viele Stühle im Zimmer. Sechs standen rund um einen Konferenztisch; zwei weitere standen vor dem Schreibtisch. Harry wußte nicht, auf welchen er sich setzen sollte, und blieb deshalb einfach stehen.
    Er konnte sich nicht erinnern, dem Direktor je so nahe gewesen zu sein. Obwohl Harry noch dicht bei der Tür stand und der Schreibtisch auf der anderen Seite des großen Zimmers, konnte er peinliche Details erkennen. Dunkle Bartstoppeln überzogen das Gesicht des Direktors. Sein Hals war voller kleiner Pickel und erinnerte Harry an ein schlecht gerupftes Huhn, wie er es einmal im Fenster eines chinesischen Restaurants gesehen hatte. Lockwoods Nasenflügel blähten sich jedesmal, wenn er einatmete, wie bei einem gereizten Stier. Die Augen

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