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03 - Auf Ehre und Gewissen

03 - Auf Ehre und Gewissen

Titel: 03 - Auf Ehre und Gewissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zog zwischen abgerissenen Sätzen immer wieder an seiner Zigarette. Er war Hausvater und Leiter des englischen Fachbereichs in Bredgar Chambers, einer Privatschule in der Gegend zwischen Crawley und Horsham in West Sussex, etwas über eine Stunde von London entfernt. Der Junge, um den es ging - dreizehn Jahre alt, ein Sextaner, somit also neu auf der Schule -, stammte aus Hammersmith. Der Gesamtsituation nach zu urteilen, schien es sich hier um einen ausgeklügelten Plan zu handeln, den der Junge sich ausgedacht hatte, um zu einem Wochenende in ungebundener Freiheit zu kommen. Aber irgendwo und irgendwie war etwas schiefgegangen, und nun war der Junge verschwunden, wurde schon seit mehr als achtundvierzig Stunden vermißt.
    »Ich könnte mir denken, daß er durchgebrannt ist.«
    Corntel rieb sich die Augen. »Tommy, ich hätte sehen müssen, daß den Jungen etwas bedrückte. Ich hätte es wissen müssen. Das gehört zu meinen Aufgaben. Wenn er so wild entschlossen war durchzubrennen, wenn er all die Monate so unglücklich war, und ich das nicht bemerkt habe ... Die Eltern kamen völlig hysterisch in der Schule an, ein Mitglied unseres Verwaltungsrats war zufällig zur selben Zeit da, und der Schulleiter war den ganzen Nachmittag damit beschäftigt, die Eltern zu beruhigen, festzustellen, wer den Jungen zuletzt gesehen hat, und herauszubekommen, warum er ohne ein Wort auf und davon gegangen ist. Er will die Sache auf keinen Fall der zuständigen Polizei übergeben. Ich weiß nicht, was ich den Leuten sagen soll, was ich zu meiner Entschuldigung vorbringen kann, wie ich das wiedergutmachen soll.«
    Er fuhr sich mit der Hand über das kurze Haar und versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. »Im ersten Moment wußte ich nicht, wohin ich mich wenden sollte. Dann fielst du mir ein. Es schien mir geradezu eine Eingebung. Schließlich waren wir in Eton gute Freunde. Und - lieber Gott, ich quaßle wie ein Schwachsinniger, ich weiß. Ich kann nicht mal mehr klar denken.«
    »Das ist eine Angelegenheit für die Polizei von West Sussex«, sagte Lynley. »Wenn es überhaupt eine Angelegenheit für die Polizei ist. Warum hat man sie noch nicht benachrichtigt, John?«
    »Wir haben in der Schule eine Gruppe, die sich die freiwilligen Helfer nennt, und diese Schüler sind jetzt unterwegs, um den Jungen zu suchen - in der Annahme, daß er nicht weit gekommen sein kann. Oder in der Annahme, daß ihm in der Nähe der Schule etwas zugestoßen ist. Die Polizei nicht einzuschalten, war der Entschluß des Schulleiters. Er und ich haben das abgesprochen. Ich habe ihm erzählt, daß ich eine Verbindung zum Yard hätte.«
    Lynley konnte sich die Einzelheiten der Situation, in die Corntel da geraten war, leicht ausmalen. Ganz abgesehen von seiner berechtigten Sorge um den Jungen mußte sich John Corntel auch um seine eigene Stellung - vielleicht sogar seine Karriere - sorgen; alles hing davon ab, daß der Junge rasch und wohlbehalten wiedergefunden wurde. Es kam vor, daß ein Kind im Internat Heimweh bekam und vielleicht den Versuch machte, zu seinen Eltern oder seinen alten Freunden zurückzukehren; meistens wurde der kleine Delinquent schon nach kurzer Zeit und ganz in der Nähe der Schule wieder gefaßt. Aber dies war eine ernste Sache. Corntels stockend vorgetragener Schilderung zufolge war der Junge am Freitagnachmittag das letzte Mal gesehen worden, und seitdem hatte niemand auch nur einen Gedanken an seinen Verbleib verschwendet. Was die Entfernung anbetraf, die er in der Zeit seiner Abwesenheit möglicherweise hatte zurücklegen können - die Lage war wirklich mehr als ernst für Corntel. Sie war gewissermaßen der Auftakt zur beruflichen Katastrophe. Kein Wunder, daß er dem Schulleiter versichert hatte, er könne sie allein bereinigen, rasch und diskret.
    Aber Lynley konnte nichts tun. Scotland Yard konnte nicht einfach Fälle übernehmen, die von Privatpersonen unterbreitet wurden, und man hütete sich beim Yard davor, ohne förmliches Ansuchen der zuständigen Regionalpolizei in fremdes Revier einzudringen. Corntels Reise nach London war also nichts als Zeitverschwendung, und je eher er auf die Schule zurückkehrte und den Fall den zuständigen Behörden übergab, desto besser würde es für alle Beteiligten sein. Davon gedachte Lynley ihn zu überzeugen, sammelte daher alle ihm zur Verfügung stehenden Fakten, um sie in der Weise einzusetzen, daß sie Corntel zu der unausweichlichen Schlußfolgerung führen mußten, daß

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