03 Göttlich verliebt
und runzelte die Stirn, als ihre Gedanken wieder düster wurden. »Es hilft, dass sie ein Mädchen ist. Bisher hat noch niemand den Verdacht, dass sie der Tyrann sein könnte. Nicht wirklich.«
»Wieso bleibt Achill dann noch hier, obwohl seine Männer verhungern?«, fragte Helena verzweifelt. Darauf hatte Briseis keine Antwort. »Ich glaube dir, wenn du sagst, dass er niemals ein Kind töten würde. Achill ist ein Mann mit Prinzipien – und genau die haben ihn nach Troja geführt. Ist dir jemals der Gedanke gekommen, dass es ihm so wichtig sein könnte, die Welt vom Tyrannen zu befreien, dass er bereit ist zu warten, bis sie erwachsen ist, und sie erst dann zu töten?«
»Ihr müsst gehen«, sagte Briseis plötzlich. »Er kann jeden Moment zurückkommen.«
Helena seufzte, ließ deprimiert den Kopf hängen und bückte sich dann, um ihre Tochter hochzuheben. »Ich komme in ein paar Tagen wieder und bringe dir neue Vorräte.«
Die beiden Frauen umarmten sich, zuerst zögernd, als wären sie noch uneins, doch dann mit wahrer Zuneigung. Schließlich nahmen Helena und Atlanta wieder ihre Tarnung an und verließen das feindliche Lager.
Helen erwachte mit einer dicken Strähne von Ariadnes Haaren im Mund. Als sie sich auf die andere Seite drehte, wälzte sie sich versehentlich auf Andy, die im Schlaf nach ihr schlug und etwas Unverständliches murmelte. Helen, die wünschte, dass Noel ein paar Matratzen für die Mädchen spendiert hätte, rutschte ans Fußende und kroch leise aus dem Bett, wobei sie sich bemühte, die beiden anderen nicht zu stören.
Als sie aus dem Zimmer schlich, schlang sie die Arme um sich und versuchte, die Erinnerung abzuschütteln. Sie kam ihr realer vor als die bisherigen, als wäre sie selbst diesmal mehr gewesen als nur eine Zuschauerin. Mittendrin hatte es sich sogar plötzlich angefühlt, als wäre nicht Helena von Troja in diesem Zelt, sondern Helen Hamilton. Sie konnte immer noch die Wärme ihres kleinen Mädchens (oder vielmehr Helenas kleinen Mädchens) in ihren Armen spüren. Auf dem Flur begegnete sie natürlich Lucas.
»Ich dachte, du wärst nach Hause gefahren«, sagte Lucas nach einem Moment des Schweigens.
»Da war ich schon seit Tagen nicht mehr«, antwortete Helen und starrte ihn an. »Wozu auch, wenn alle hier sind?«
»Und noch mehr auf dem Weg hierher«, fügte er hinzu und runzelte plötzlich die Stirn.
Helen nickte. »Das Treffen der Häuser. Hast du schon …«
»… Orion angerufen? Klar«, beendete Lucas ihren Satz. »Er wartet in der Bibliothek auf uns.«
»Wie spät ist es?«, fragte Helen und warf einen Blick auf das Sonnenlicht, das durch das nächstgelegene Fenster fiel.
»Kurz nach zwei.« Helens schockierter Blick brachte ihn zum Schmunzeln. »Sehen wir uns unten?«, fragte er und wollte an ihr vorbei zur Treppe gehen. »Wir müssen Pläne machen.«
»Ich brauche nur eine Minute«, sagte Helen und deutete auf ihre zerknitterte Kleidung und die zerzausten Haare.
»Lass dir Zeit«, sagte Lucas. Als er sie streifte, strich er ihr über den Arm. Seine große Hand folgte den Konturen ihrer schlanken Muskeln, was bei ihr eine Gänsehaut verursachte. Seine Berührung fühlte sich so heiß an, dass sie förmlich schauderte, als die Wärme viel zu schnell wieder verschwand.
Als Erstes schaute Helen nach ihrem Vater. Jerry schlief immer noch sehr tief, doch sie konnte sein Herz stark und gleichmäßig schlagen hören. Er wirkte wie in einer anderen Welt, einer friedlichen Welt, die er nur ungern wieder verlassen wollte. Helen wusste zwar nicht, ob das möglich war, aber sie hoffte, dass Jerry nur schlief und Morpheus über ihn wachte.
Helen rannte ins Bad, um zu duschen, bevor Ariadne und Andy aufstanden. Die beiden begannen gerade, sich zu recken, und Helen zog die Badezimmertür mit einem zufriedenen Grinsen hinter sich zu.
Sie stellte die Brause an, zog ihre Sachen aus und spürte immer noch Lucas’ Berührung auf ihrem Arm. Sie duschte eilig. Beim Abtrocknen tauchte plötzlich eine weitere zufällige, Jahrhunderte zurückliegende Begegnung auf einem anderen Flur in Helens Gedanken auf und umfing sie wie der heiße Dampf aus der Duschkabine.
Lancelot war viele Monate von Camelot fern gewesen.
Die Barbaren – große blonde Krieger aus einem Land aus Eis – hatten die Ritter der Tafelrunde in Atem gehalten. Guineveres Vater, wie schon sein Vater vor ihm, hatte diese Barbaren schon sein ganzes Leben lang bekämpft. Aber jetzt, nach der Heirat
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