03_Im Brunnen der Manuskripte
vielleicht erreichen, dass größere Teile
an andere Bücher verkauft werden.«
»Wir müssen doch irgendwas tun können!«
Jack dachte einen Augenblick nach. »Nein, Thursday. Es ist
vorbei. Ich muss aufgeben.«
»Warten Sie. Wie wäre es, wenn ich zu spät komme? Wenn
ich die Treppe heraufkomme, haben Sie die Unterhaltung mit
Mickey schon hinter sich und erzählen mir, was er gesagt hat.
Von da aus springen wir direkt ins achte Kapitel und … Was
ist? Sie sehen mich so merkwürdig an.«
»Mary –«
»Thursday.«
»Thursday. Dann wäre das siebte Kapitel doch bloß eine Seite lang.«
»Besser als gar nichts.«
»Das funktioniert doch nicht.«
»Vonnegut macht das doch dauernd.«
Er seufzte. »Na schön, Maestro. Fangen Sie an!«
Ich lächelte, und wir sprangen drei Seiten zurück.
Reading, am Dienstagmorgen. Es hatte die ganze Nacht
geregnet, und die nassen Straßen spiegelten den bleiernen
Himmel. Mary hatte sich verspätet, und als sie an Mickey
Finn's Boxfabrik eintraf, kam Jack schon mit großen, hallen-
den Schritten die eiserne Treppe hinunter, die zur Trainings-
halle hinaufführte.
»Tut mir leid«, sagte Mary, »ich hatte eine Reifenpanne.
Haben Sie Ihren Kontaktmann getroffen?«
»J-ja«, sagte Jack. »Wenn Sie da oben in der Fabrik gewe-
sen wären, was Sie ja nun leider nicht waren, hätten Sie fest-
gestellt, dass es sich um eine düstere Halle handelt, die nach
Schweiß und Tränen riecht. Dort hätten Sie die jungen Ta-
lente aus der Unterklasse von Reading beim Sparring gese-
hen, die hofften sich den Weg zum Erfolg freizuboxen.«
»Mit wem haben Sie denn gesprochen?« fragte Mary, wäh-
rend sie zurück zu ihrem Wagen gingen.
»Mickey Finn. Der war selbst mal ein Boxer, man sieht es
an seinen zernarbten Augenbrauen und einem ständigen
Zittern im Mundwinkel. Heute führt er die Boxfabrik und
dealt nebenher. Er hat mir erzählt, dass Hawkins in Davisons
Pläne verstrickt ist. Es heißt, dass am fünften eine große
Lieferung eintrifft. Außerdem hat er erwähnt, dass er sich
mit Jethro trifft, aber wie wichtig das ist, werd' ich erst später
verstehen.«
»War sonst noch was?« fragte Mary nachdenklich.
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
»Sind Sie sicher, dass Sie sicher sind?«
»Äh … Halt, warten Sie! Jetzt fällt es mir wieder ein. Da
war dieser junge Bursche da oben, der sich auf seinen ersten
Kampf vorbereitete. Mickey hat gesagt, er sei der beste Boxer,
den er seit langem gesehen hat. Er könnte sogar um die Meis-
terschaft kämpfen.«
»Klingt, als hätten Sie einen aufregenden Vormittag hinter
sich«, sagte Mary und sah zum regnerischen Himmel hinauf.
»Einen sehr aufregenden«, erwiderte Jack und zog sich die
Jacke über die Schultern. »Kommen Sie, ich lad' Sie zum
Essen ein.«
Das Kapitel endete, und Jack schlug sich die Hand vors Gesicht.
»Ich kann's gar nicht glauben«, murmelte er. »Hab ich wirklich
gesagt: Wie wichtig das ist, werd' ich erst später verstehen? Das
kaufen die uns doch nie ab! Das ist doch Schwachsinn.«
»Jetzt machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte ich. »Es wird
schon werden. Wir müssen das Buch nur so lange zusammenhalten, bis uns ein Rettungsplan einfällt.«
»Na schön«, sagte Jack stoisch. »Was haben wir schon zu verlieren? Am besten, Sie gehen zur Jurisfiktion und versuchen
herauszufinden, was mit der Prüfungskommission los ist. Ich
werde ein paar Leute zum Vorsprechen einladen und versuchen, die Szene aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren.«
Er machte eine Pause.
»Und noch etwas, Thursday.«
»Ja?«
»Vielen Dank.«
Ich fuhr zu meinem Flugboot zurück. Angesichts der Tatsache,
dass ich mich mit den inneren Angelegenheiten des Romans
eigentlich nicht befassen wollte, war es wirklich erstaunlich, wie
sehr es mich beschäftigte, was aus Caversham Heights wurde.
Zugegeben, das Buch war ziemlich schrecklich, aber schlimmer
als eine durchschnittliche Farquitt war es nun auch wieder
nicht. Vielleicht lag es mir einfach am Herzen, weil ich hier
wohnte.
»Gehen wir jetzt einkaufen?« fragte Lola, die auf mich gewartet
hatte. »Ich weiß einfach nicht, was ich übernächste Woche zur
großen Gala anlässlich der BuchWeltPreisverleihung anziehen
soll.«
»Bist du denn eingeladen?«
»Wir sind alle eingeladen«, sagte sie aufgeregt. »Es wird ein
Riesenereignis!«
»Mit Sicherheit!« sagte ich und ging nach oben aufs Flugdeck. Lola folgte mir und sah zu, wie ich mich
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