Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
kommen?«
    18 »Alice im Wunderland, direkt nach dem XII. Kapitel. Ihr Rechtsanwalt ist
    der Vogel Greif. Also nicht vergessen: pünktlich um drei.«
    21.
    Wer hat die Torten gestohlen?
    Der erste Ausflug in die BuchWelt, den ich als Erwachsene
    unternahm, war nicht unumstritten. Ich hatte Jane Eyre
    aufgesucht und das Ende geändert. Ursprünglich war Jane
    mit dem sauertöpfischen St. John Rivers nach Indien gegangen, in dem von mir herbeigeführten Ende dagegen können
    Jane und Rochester heiraten. Es war eine Herzensentscheidung. Ich war dazu nicht ausgebildet, aber ich konnte einfach nicht anders. Alle mochten das neue Ende, aber meine
    Handlungen wurden auch kritisiert. De facto hatte ich mich
    des Eingriffs in ein literarisches Kunstwerk schuldig gemacht, und dafür musste ich mich verantworten. Die erste
    Verhandlung in Kafkas Prozess war ohne Ergebnis vertagt
    worden. Die zweite Verhandlung vor dem Herzkönig aus
    Alice im Wunderland sollte noch merkwürdiger sein.
THURSDAY NEXT
    – Die Jurisfiktion-Aufzeichnungen

    Der Vogel Greif hatte den Kopf und die Schwingen eines Adlers
    und den Körper eines Löwen. In seiner Jugend muss er absolut
    furchteinflößend gewesen sein, aber jetzt im Alter trug er eine
    Brille und einen Schal, was ihn etwas harmloser aussehen ließ.
    Trotzdem war er immer noch der scharfsichtigste Geier in
    allen Gerichtssälen, und nach dem Tod von Snell war ihm die
    Leitung der Jurisfiktion-Rechtsabteilung ganz von selbst zugefallen. Zu seinen berühmtesten Fällen gehörte die Schadenser-satzklage Hans-Guck-in-die-Luft gegen die Stadtverwaltung
    Frankfurt/M., die mit der Zahlung einer Rekordsumme wegen
    mangelhafter Sicherung des Mainufers endete. Ihm war es wohl
    auch zu danken, dass Captain Nemo nicht wegen Massenmords
    und Piraterie, sondern nur wegen »versehentlichen Totschlags«
    angeklagt wurde.
    Der Vogel Greif las gerade in meiner Akte, als ich kam, und
    machte unverständliche kleine Geräusche dabei. Schließlich hob
    er den Kopf und sah mich über seine Brille hinweg an.
    »Na!« sagte er. »Das wird mal ein Spaß!«
    »Spaß?« sagte ich. »Es handelt sich immerhin um einen Eingriff zweiter Klasse in ein literarisches Kunstwerk.«
    »Nu, nebbich«, sagte der Vogel Greif. »Morgen hab ich eine
    Gruppenklage wegen Blindheit gegen die Triffids, und der
    Kriegsverbrecherprozess gegen die Marsbewohner im War of
    the Worlds zieht sich schon jahrelang hin. Sie können mir
    glauben, so ein kleiner literarischer Eingriff ist dagegen wirklich
    ein Spaß. Wollen Sie mal sehen, was ich alles am Bein habe?«
    »Danke, nicht nötig.«
    »Okay. Wollen mal sehen, was die Zeugen der Anklage sagen
    und wie Hopkins die Sache darstellt. Vielleicht lasse ich Sie gar
    nicht in den Zeugenstand treten. Auf jeden Fall machen Sie ja
    keine Dummheiten! Fangen Sie nicht an zu wachsen oder
    dergleichen. Damit hat Alice damals alles fast ruiniert. Und
    wenn die Herzkönigin Ihre Enthauptung befiehlt, lassen Sie sich
    bitte nicht weiter beeindrucken.«
    »In Ordnung«, sagte ich seufzend. »Von mir aus können wir
    anfangen.«

    Als wir eintrafen, saßen der Herzkönig und die Herzkönigin
    bereits auf ihren Thronsesseln, aber sie waren die einzigen im
    Gerichtssaal, die halbwegs gefasst schienen. Die Jury dagegen
    war ziemlich verstört. Der Abgang von Alice zwei Seiten zuvor
    hatte sie aufgeschreckt, und sie stritten heftig mit ihrem Vorsitzenden, einem großen Kaninchen, das sie hochnäsig ansah,
    während es an einer Mohrrübe knabberte. Wie es diese in den
    Saal geschmuggelt hatte, blieb unerfindlich.
    Der Herzbube wurde zurück in seine Zelle geführt, und die
    Torten, die als Beweisstücke aufgebaut worden waren, wurden
    durch Jane Eyre ersetzt – das Originalmanuskript, selbstverständlich. Unmittelbar vor dem König und der Königin saßen
    der Staatsanwalt Mathew Hopkins und eine Versammlung
    ziemlich ernsthaft aussehender Vögel und kleiner Tiere. Der
    Staatsanwalt sah mich mit kaum verhülltem Hass an.
    Der König war offensichtlich der Richter in diesem Prozess,
    denn er trug eine große Perücke. Welche Rolle die Herzkönigin
    spielen sollte, blieb unklar.
    Die zwölf Geschworenen beruhigten sich etwas und fingen
    eifrig an, auf ihre Täfelchen zu schreiben.
    »Was machen die denn?« fragte ich den Greif leise. »Die
    Verhandlung hat doch noch gar nicht begonnen.«
    »Ruhe im Saal!« schrie das Weiße Kaninchen.
    »Kopf ab!« kreischte die Königin.
    Der König setzte seine Brille auf,

Weitere Kostenlose Bücher