03_Im Brunnen der Manuskripte
uns
sah.
»Ah!« sagte sie. »Ist dieser rattengesichtige, hirnlose Depp
da?«
»Sprichst du von Randolph?«
»Von wem sollte ich sonst reden?«
»Ja, der ist zu Hause.«
»Schön!« sagte sie und ging wieder zum Ausgang. »Dann
schlafe ich drüben bei Nemo.«
»Halt!« rief ich. »Was geht hier eigentlich vor?«
Sie blieb stehen und stemmte die Hand in die Hüften. Ihre
Handtasche rutschte ihr von der Schulter und störte den dra-matischen Eindruck, aber das war ihr jetzt auch schon egal.
»Ich wollte mich nach dem Unterricht auf einen Kaffee mit
ihm treffen, und was muss ich sehen? Da redet der Kerl doch
mit dieser kleinen D-2-Tussi! Sie wissen schon – die immer mit
den Augen zwinkert und blöde kichert.«
»Lola«, sagte ich ruhig. »Was ist schon dabei. Sie haben sich
wahrscheinlich einfach nur unterhaken.«
Sie betrachtete einen Augenblick ihre Hände. »Sie haben
recht. Außerdem ist es mir völlig egal. Die beiden verdienen
wahrscheinlich nichts Besseres!«
»Das hab ich gehört!« rief eine Stimme aus dem Heck des
Flugbootes. Und dann marschierte Randolph auch schon durch
die Tür. »Du hast vielleicht Nerven! Du machst mir Vorwürfe,
weil ich mal mit einer anderen Frau rede, dabei hast du mit
beinahe jedem Kerl an der Schule geschlafen!«
»Na, wenn schon!« schrie Lola. »Wer glaubst du denn, wer
du bist? Mein Vormund? Hast du mir nachspioniert?«
»Selbst der schlechteste Spion des Genres hätte wohl kaum
übersehen können, wie du es treibst. Diskretion ist ja ein völliges Fremdwort für dich.«
»Du eindimensionales Klischee!«
»Abziehbild eines Flittchens!«
»Plattkopf!«
»Nummerngirl!«
»Wichser!«
»Fette Kuh!«
»Kopf runter!« schrie ich und zog meine Großmutter zur Seite, als Lola eine Vase hob und nach Randolph warf. Natürlich
verfehlte sie ihn, und das Geschoss krachte direkt über uns an
die Wand.
»Jetzt reicht's!« sagte ich so gelassen wie möglich. »Wenn ihr
nicht sofort damit aufhört, könnt ihr euch eine andere Unterkunft suchen! Randolph, du schläfst auf dem Sofa! Lola kann
von mir aus ins Bett gehen. Und wenn ich noch einen Ton von
euch höre, lasse ich euch zu den Gabelstaplern oder Zitronenfaltern versetzen – verstanden?«
Sie verstummten, entschuldigten sich und gingen dann leise
hinaus.
»Großartig, du schwanzgesteuerter Affe«, murmelte Lola.
»Du bringst uns beide in Schwierigkeiten mit deiner Geilheit.«
»Ich?« sagte er. »So oft wie du die Höschen ausziehst, frage
ich mich, warum du überhaupt welche anhast!«
»Habt ihr nicht gehört, was ich gesagt habe ?« brüllte ich hinter den beiden her. Endlich wurde es ruhig.
Ich setzte mich wieder zu meiner Großmutter, die gerade
dabei war, die Scherben vom Sofa zu sammeln.
»Wo waren wir stehen geblieben?« fragte sie.
»Du sagtest, ich solle mir meine Erinnerungen zurückholen.«
»Genau. Sie wird versuchen, dich in den Zusammenbruch zu
treiben. Ehe sie sich bessern, werden die Dinge zunächst also
schlimmer. Erst, wenn sie glaubt, sie hätte dich besiegt, können
wir zum Gegenangriff übergehen.«
»Was meinst du damit? Wie weit muss ich gehen? Woran
soll ich mich erinnern? An Hades? An Landens Nichtung? An
Darren?«
»Du musst dich an das Schlimmste von allem erinnern. Du
musst dich daran erinnern, was wirklich geschah beim Angriff
der Leichten Brigade. Du warst doch dabei. Es war das Letzte,
was du auf der Krim erlebt hast.«
»Anton.« Ich stöhnte und rieb mir das Gesicht. »Ich will
dorthin nicht mehr zurückkehren, Omi. Ich kann nicht.«
»Dann wird sie deine Erinnerungen weiter zersetzen, bis
nichts mehr übrig ist; Aornis will ihre Rache. Du musst zurück
auf die Krim, Thursday. Stell dich dem Schlimmsten, dann
kehrt deine Stärke zurück.«
»Nein, dahin gehe ich nicht zurück, und du kannst mich
nicht dazu zwingen.«
Ich stand auf und ging hinaus. Ich brauchte ein warmes Bad.
Aornis, Landen, Goliath, die ChronoGarde und jetzt die Morde
an Snell und Perkins hier in der BuchWelt … Wenn ich das
alles abwaschen wollte, würde ich eine Badewanne so groß wie
Lake Windermere brauchen. Ich war nach Caversham Heights
gekommen, um Krisen und Konflikten aus dem Wege zu gehen
– aber sie schienen mich zu verfolgen wie ein streunender
Dodo.
Ich blieb so lange in der Wanne, dass ich zweimal heißes
Wasser nachlaufen lassen musste, und als ich wieder herauskam, saß meine Großmutter auf dem Wäschepuff vor der Tür.
»Bist du
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