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03_Im Brunnen der Manuskripte

03_Im Brunnen der Manuskripte

Titel: 03_Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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der Arbeit?«
    »Teils gut, teils nicht so gut«, sagte ich, setzte mich aufs Sofa
    und machte den Hosenknopf auf. »Einerseits habe ich den
    praktischen Teil der Jurisfiktion-Prüfung bestanden, andererseits wurde ich des Eingriffs in ein literarisches Kunstwerk für
    schuldig befunden.«
    »Ist das Urteil schon verkündet?«
    »Nein, da muss ich noch warten.«
    »Das ist das Schlimmste«, murmelte Granny. »Ich war mal
    wegen Mord angeklagt, und dann musste ich acht Stunden lang
    auf den Spruch der Geschworenen warten. Das waren die
    längsten acht Stunden meines Lebens, das kann ich dir sagen.«
    »Das glaub ich. Warst du heute zu Hause?«
    Sie nickte. »Ich hab dir ein paar Pralinen mitgebracht. Rein
    schokolademäßig gibt's ja hier nichts Gescheites, zum Beispiel.
    Jedenfalls nichts, was richtig schmeckt.«
    »Hast du etwas über Yorrick Kaine herausgefunden?«
    »Nicht viel«, sagte Granny und futterte die Pralinen, die sie
    mir mitgebracht hatte. »Also, er versteckt sich nicht oder so. Er
    hat einen weiteren Verlag aufgekauft und versucht, sein politisches Comeback nach dem Cardenio-Debakel zu organisieren.«
    »Ach. Wo sind denn Lola und Randolph?«
    »Ich glaube, auf einer Party. Sag mal, du siehst ziemlich
    groggy aus – warum gehst du heute nicht mal etwas früher ins
    Bett?«
    »Damit diese Wie-heißt-sie-doch-gleich über mich herfallen
    kann?«
    Granny sah mich ernst durch ihre großen Brillengläser an.
    »Aornis. Sie heißt Aornis. Erinnerst du dich?«
    »Ja. Und wie hieß noch mal mein Mann?«
    »Landen. Er wurde von der ChronoGarde genichtet, ja?«
    Da fiel es mir wieder ein, und mein Herz sank. »Ja«, sagte ich
    leise. Ich war glücklich gewesen in meinem nicht-erinnernden
    Zustand, aber jetzt kehrten die Wut und die Empörung zurück.
    »Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ich es einfach
    vergäße.«
    »Thursday!« sagte meine Großmutter so scharf, dass ich zusammenfuhr und sie erst einmal wieder Luft holen musste. »So
    etwas darfst du nie sagen!« Empört griff sie nach den Pralinen
    und kaute heftig darauf herum. »Aornis hat kein Recht, sich zu
    nehmen, was ihr nicht gehört. Du musst streng mit ihr – und
    mit dir selbst – sein und dir zurückholen, was dir gehört: deine
    Erinnerungen.«
    »Leichter gesagt als getan, Granny!« Ich versuchte, mir eine,
    Praline zu nehmen, aber Granny zog sie fürsorglich auf ihre
    Seite des Tisches. »Ich möchte gern träumen. Über –«
    »Landen.«
    »Ja, über Landen. Er ist noch da, aber wir reden nicht mehr
    so miteinander wie früher.«
    Die Tür flog auf, und Randolph marschierte herein. Er ignorierte uns völlig und hängte seinen Mantel in die Garderobe.
    »Randolph?« sagte ich. »Alles in Ordnung bei dir?«
    »Bei mir?« sagte er, ohne uns anzusehen. »Bei mir ist alles in
    Ordnung. Bloß diese kleine Nutte wird ein böses Ende nehmen,
    wenn sie nicht aufhört, mit jedem Kerl ins Bett zu hüpfen, der
    ihr begegnet!«
    Damit stampfte er aus dem Raum.
    »Wie geht es Lola?« rief ich hinter ihm her, aber ich hörte
    nur noch die Tür des Rohlings-Schlafzimmers zuschlagen. Wir
    sahen uns an und zuckten die Achseln.
    »Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Ich habe dir gerade erzählt, dass ich nicht mehr so von Landen träume wie früher. Wir sind immer zu den großen Erinnerungen gegangen, die wir beide hatten. Wir haben nie tatsächlich – du weißt schon –, aber es war wunderbar. Irgendwie
    konnte ich die Dinge noch steuern, auch wenn die Göttin des
    Schlafs mich mit ihrem Mantel bedeckt hatte.«
    Granny warf mir einen tröstenden Blick zu und tätschelte
    meine Hand. »Du musst Aornis eine Falle stellen! Gib ihr das
    Gefühl, sie hätte die Oberhand, dann kannst du sie besiegen. Sie
    denkt zwar, sie würde dich beherrschen, aber in Wirklichkeit ist
    sie bloß in deinem Gedächtnis, und was du denkst, kontrollierst
    du immer noch selbst. Unsere Erinnerungen sind kostbar, und
    man darf sie nicht zerstören lassen.«
    »Natürlich nicht – aber wie kann ich es verhindern?«
    »Nun ja«, sagte Granny und schob mir eine angebissene Praline herüber, die sie nicht mochte. »Was du erlebst, ist nicht die
    echte Aornis, sondern nur deine Erinnerung von ihr. Auch sie
    ist allein und hat Angst. Da die echte Aornis nicht hier in der
    BuchWelt sein kann, hat sie nicht so viel Macht; sie kann nur
    versuchen –«
    Erneut flog die Tür auf. Diesmal war es Lola. Sie sah aus, als
    ob sie geweint hätte. Sie blieb erschrocken stehen, als sie

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