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03 - komplett

03 - komplett

Titel: 03 - komplett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 2 Romane
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Selbst wenn es ihr gelingen sollte, ihm aus dem Weg zu gehen, würde er doch beim Tee möglicherweise die Bemerkung fallen lassen, dass er ihr kürzlich begegnet sei. Natürlich würde er von ihr als Mrs. John Vance sprechen und vielleicht von dem kleinen Drama erzählen, das sich in dem Gasthof an der Great North Road ereignet hatte, dem Diebstahl seiner Pferde ... Sylvie wich das Blut aus den Wangen. Sie musste ihn unbedingt aufklären, bevor er kam.
    Unhöflich riss sie ihrer Schwester den Brief aus der Hand und suchte in den Zeilen nach Hinweisen. „In welchem Gasthof logiert er?“, fragte sie, während ihr Blick über die kühne Handschrift in schwarzer Tinte flog, inständig hoffend, dass der Name Vance nicht bereits in dem Schreiben erwähnt wurde.
    „Im Rose and Crown“, antwortete June, über den Eifer ihrer Schwester lächelnd.
    „Wollen wir heute Nachmittag einkaufen gehen?“, fragte sie. „Ich benötige Handschuhe und Strümpfe.“
    Sylvie nickte geistesabwesend, die Augen immer noch auf den Brief gerichtet. Erneut las sie die wenigen Zeilen, und ihr wurde flau. Sie war noch nicht bereit, ihn wiederzusehen. Sie hatte vorgehabt, ihm ihre Lüge irgendwann zu beichten, aber dann, wenn sie es für richtig hielt. Nie hätte sie gedacht, dass er ihr die Entscheidung über den Zeitpunkt ihres Wiedersehens aus der Hand nehmen würde. Nun saß sie in der Klemme. Irgendwie musste es ihr gelingen, ihn unter vier Augen zu sprechen, ehe er am folgenden Nachmittag zum Tee kam. Vielleicht konnte sie ihn bitten, ihre Begegnung im George and Dragon zu verschweigen. Sie glaubte nicht, dass er unfreundlich werden und ihr Geheimnis verraten würde, selbst wenn er einen Groll gegen sie hegte, weil sie ihn belogen hatte. Aber deswegen würde er Williams Freundschaft und Respekt gewiss nicht aufs Spiel setzen. Allerdings konnte ihre Lüge inzwischen durchaus bekannt sein, weil Lord Rockingham ja nicht wusste, dass er nichts verraten durfte. Es war durchaus vorstellbar, dass er in einem Gespräch mit Bekannten aus der Gegend beiläufig erwähnte, dass die jüngste Tochter der Merediths mit John Vance vermählt war. In ihrem Kopf hörte sie schon die Gespräche, die er mit einflussreichen Persönlichkeiten in Hertfordshire führte: Sylvie Meredith? Sie hat doch kürzlich diesen Knaben Vance geehelicht.
    Nein, da müssen Sie sich irren, Mylord. Wie kommen Sie denn zu dieser Annahme?
    Sylvie blickte finster auf den Brief. Dieser verflixte Mann! Warum konnte er nicht in London bleiben?
    Angestrengt suchte sie nach einem Ausweg aus ihrer misslichen Lage, doch sie erkannte bald, dass sie keine Wahl hatte. Sie musste mit ihm reden. Nur, was sollte sie sagen? Sie könnte natürlich eine plausible Geschichte ersinnen, warum sie sich als Johns Gemahlin ausgegeben hatte – was ihren Erfindungsreichtum auf eine harte Probe stellen würde – oder sie könnte ihm die ganze Wahrheit sagen und riskieren, dass ihr Verhalten ihn empörte und er sie fortan verabscheute.
    Sie reckte das Kinn. Was kümmerte sie seine Meinung? Er selbst war wohl kaum ein Musterbeispiel an Tugend und Moral. Auch ihr waren die Gerüchte zu Ohren gekommen, dass der Marquess of Rockingham als Frauenheld berüchtigt war und bereits einige Skandale ausgelöst hatte. Und von der freundlichen Wirtin Mrs. Bragg hatte sie erfahren, dass er seine Mätresse nicht nur in abgelegenen Gasthöfen traf, sondern sie obendrein auch noch mit anderen Männern teilte. Sie hatte die Dame sogar mit eigenen Augen gesehen. Sie bezweifelte, dass Lord Rockingham es schätzen würde, wenn alle Welt wüsste, dass er mit einer Halbweltdame poussierte, die sich als Lady Townsend ausgab. Sylvie fragte sich, ob June ihn immer noch als Paten für ihren Sohn in Betracht ziehen würde, wenn sie davon wüsste. Doch zunächst wollte sie dies für sich behalten.
    Lächelnd gab sie June den Brief zurück. Nun, wenn er vorhatte, ihr Geheimnis aller Welt zu offenbaren, nachdem sie es ihm gebeichtet hatte, dann würde sie es ihm vielleicht mit gleicher Münze heimzahlen.
    „Rockingham!“, rief eine fröhliche Stimme.
    Adam drehte den Kopf und sah Guy Markham in das private Speisezimmer des Gasthofes treten. Leise seufzend hob er die Hand zum Gruß, ehe er sich wieder seinem späten Frühstück und der Zeitung widmete.
    Guy ließ sich indes nicht so leicht abwimmeln. Lächelnd kam er zu ihm herüber, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an seinen Tisch.
    „Ich wollte erst nicht glauben, dass du

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