03 - komplett
angenehmere Gesellschaft gefunden, hätte er seine Mutter und Schwester, ganz zu schweigen von Sir Anthony und Lady Robinson, vor den Kopf gestoßen und sich frühzeitig verabschiedet, nur um diesem ungehobelten Flegel zu entkommen.
Bisher hatte er sich noch keine Meinung über Hugo Robinson gebildet. Es lagen fast zehn Jahre Altersunterschied zwischen ihnen, und obwohl sie Nachbarn waren, verkehrten sie nicht in denselben Kreisen. Nun aber, nach zwanzig Minuten in seiner Gesellschaft hatte er Hugo Robinsons Charakter kennengelernt und war zu dem Schluss gekommen, dass er den Mann nicht ausstehen konnte.
„Sie kommen spät, aber dennoch sind sie willkommen.“ Hugos Blicke ruhten auf Sylvies in rosa Seide gehüllter Figur. Ihr goldblondes Haar war auf einer Seite zusammengenommen, und ein Wasserfall aus Ringellocken fiel auf ihre zierliche Schulter. „Himmel, sie sieht reizend aus“, murmelte Hugo leise. Er setzte ein weltmännisches Lächeln auf und ging hinüber, um sie zu begrüßen.
„Lassen Sie mich in Ruhe!“, sagte Sylvie.
„Du bist nicht sehr nett zu mir, und wir beide wissen, dass das nicht klug ist.“ Hugo schnurrte die verborgene Drohung lächelnd, denn er wusste, dass sie beobachtet wurden. Er schaute zum Kamin hinüber, wo ihre Mütter saßen, und nickte Gloria Meredith höflich zu. „Ich war geduldig, aber du lässt mich zu lange warten. Es ist an der Zeit, das zu beenden, was wir angefangen haben – das weißt du ebenso gut wie ich.“
„Sie sind verrückt! Lassen Sie mich vorbei“, zischte Sylvie und stieß ihn unauffällig vor die Brust. Sie trat zur Seite, aber er folgte ihr und versperrte ihr erneut den Weg.
Sie standen in einer Ecke des Raumes nahe der Terrasse. Hugo hatte sie unter einem Vorwand von ihrer Familie getrennt und hierher geleitet. Der Frühlingsabend war überraschend warm für die Jahreszeit, und die großen Fenstertüren waren halb geöffnet. Sylvie wusste, dass er beabsichtigte, sie nach draußen in die Dunkelheit zu drängen.
„Du kannst diesen Schwachkopf Vance wohl kaum jemandem wie mir vorziehen.“
Enttäuschung klang in seiner Stimme durch, und er hörte sich an wie ein quengeliges Kind.
„Er ist zehn Mal mehr wert als Sie. Lassen Sie mich jetzt gehen, oder ich werde eine Szene machen.“
„Ich glaube nicht, dass du das tun wirst. Denn dann würde ich sehr böse werden und mich vielleicht wieder auf die Suche nach deinem Schoßhund machen. Wenn du es mir nicht sagen willst, vielleicht sollte ich Vance davon überzeugen, mir zu erklären, warum du ihn so sehr magst.“
Sylvie riss erschrocken die Augen auf, als sie Hugos grimmige Miene sah. „Lassen Sie ihn in Ruhe. Hören Sie? Wenn nicht, dann werde ich ...“
„Was wirst du, meine Liebe?“, flüsterte Hugo rau. „Mich treffen und darum betteln, dass ich ihn in Ruhe lasse, wie du es schon einmal getan hast? Ich schlag ihn gleich morgen zum Krüppel, wenn du dadurch zu mir kommen wirst.“
„Sie sind ein hundsgemeines Scheusal“, stieß Sylvie mit erstickter Stimme hervor.
„Ich würde Sie niemals wieder irgendwo allein treffen. Ich schwöre, wenn Sie uns beide nicht in Ruhe lassen, werde ich meinen Eltern erzählen, was Sie getan haben, womit Sie mir drohten ...“
Hugo schaute auf sie herab und fuhr sich mit den Fingern durchs blonde Haar. Einen Augenblick lang sah er nicht mehr so selbstsicher aus. Doch bald schon kehrte ein zuversichtliches Grinsen in sein Gesicht zurück. „Du wirst gar nichts sagen“, murmelte er. Er wandte sich zur Seite, doch stand er immer noch so, dass Sylvie nicht an ihm vorbeikam. „Du würdest keinen Skandal riskieren. Dein Vater sieht schwächer aus als je zuvor. Hatte er wieder einen Herzanfall? Und deine liebe Mama, sie scheint ... ausgesprochen nervös.“ Er schaute Sylvie verschlagen an. „Du möchtest deine Eltern doch nicht in Angst und Schrecken versetzen und ihre Gesundheit auf deinem Gewissen haben.“ Mit einem Finger berührte er ihre Wange.
Sylvie wich angeekelt zurück. „Außerdem mag mich deine Mutter. Mach sie zur glücklichsten Frau der Welt und sag Ja zu unserer Verlobung. Wenn du das tust, werde ich meine Ungeduld vielleicht bis zur Hochzeitsnacht zügeln.“
Sein muskulöses Bein berührte ihre Hüfte, während er versuchte, sie auf die Terrasse zu drängen. Gleich darauf jaulte er auf, denn Sylvie hatte ihm die Spitze ihres Absatzes in den Fuß gerammt.
„Es zeugt von äußerst schlechten Manieren, wenn Sie die Dame den ganzen
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