03 - komplett
sind Sie wieder klar im Kopf und mehr Sie selbst. Es ist mir bewusst, dass es viel Wichtiges gibt, das ich Ihnen sagen muss. Dann werde ich mich auch bei Ihnen entschuldigen. Ich schwöre es.“
„Noch etwas Wichtiges sollte jetzt sofort gesagt werden. Darf ich?“
Rachel nickte, leicht verwirrt über seinen spöttischen Ton. Selbst unter diesen Umständen konnte er nicht ernst bleiben!
„Ist die Pistole geladen?“
Erschrocken sah Rachel die Pistole an. „Ich weiß es nicht“, gab sie zu. „Es ist Ihre Waffe. Ich habe sie in Ihrer Schreibtischschublade gefunden. Wissen Sie denn nicht, ob sie geladen ist?“
„Ich sollte es natürlich wissen, erinnere mich aber leider nicht. Ich schätze, sie ist es nicht. Doch wenn Sie auf mich schießen, werden wir es ja erfahren“, sagte er gleichmütig, als sollte sie das beruhigen, und ging weiter auf sie zu.
Rachel stolperte einen Schritt nach hinten, hob aber drohend die Pistole.
„Sie glauben, meinem Gedächtnis ist ebenso wenig zu trauen wie meinem Charakter, Rachel? Dann drücken Sie ab. Es ist der einzige Weg, um es herauszufinden.“ Mit einem entschlossenen Tritt stieß er das zierliche Sofa beiseite. Der einzige Schutz vor Connor waren jetzt die schmale Waffe in ihren Händen und die Tränen, die ihr über die Wangen liefen.
Connor legte ruhig die Hand auf den Lauf, und resigniert gab Rachel auf, überließ ihm die Waffe und verbarg weinend das Gesicht in den Händen. „Sie ist doch nicht geladen ... oder?“
„Mal sehen ...“
Ein ohrenbetäubender Knall ließ Rachel aufschreien und gegen die Wand zurücktaumeln. Sie nahm die Hände vom Gesicht, um sich die Ohren zuzuhalten.
Entsetzt folgte sie Connors Blick, der sich verärgert auf den wertvollen Kronleuchter geheftet hatte. Von einer seiner Kerzen war nur mehr ein rauchender Stumpf übrig.
Rachel sah fassungslos hinauf. „Haben Sie auf jene bestimmte Kerze gezielt?“
„Nein. Nur auf die Flamme.“
Sie sahen sich an, und zum ersten Mal schenkte er ihr ein echtes Lächeln und warf die Pistole auf das gestreifte Sofa. „Es wäre mir gelungen, wenn ich klarer im Kopf wäre“, behauptete er etwas großspurig. Mit unendlicher Zärtlichkeit strich er ihr die Tränen von den Wangen. „Wie man sieht, suchen mich noch immer die Sünden meiner vergeudeten Jugend heim. Das ist einer der Gründe, weswegen ich Sie nie meinem allzu ehrlichen Großvater vorstellte. Er hätte sich dazu verpflichtet gefühlt, Sie vor mir zu warnen. Und ich hatte Angst, ich könnte Sie verlieren ...“
Die Tür wurde geöffnet, und Joseph, die Augen verstört aufgerissen, stand unsicher da. Connor wandte sich zu ihm um und sah ihn fragend an.
„Ich bitte Sie um Vergebung, Mylord. Ich dachte, ich hätte eine Explosion gehört.
Einen Schuss ...“
„Ja, das haben Sie auch. Miss Meredith findet den Rosa Salon ein kleines bisschen zu feminin. Wir waren gerade dabei, ihm eine maskulinere Note zu geben. Lassen Sie die Kutsche vorfahren“, fügte er dann völlig zusammenhanglos hinzu, nahm seinen Frackrock vom Sofa und schlüpfte, allem Anschein nach gänzlich unbekümmert, hinein.
Nach einem komisch bestürzten Blick riss Joseph sich so weit zusammen, der Aufforderung seines Herrn Folge zu leisten.
Connor ließ einen Moment verstreichen und sagte dann leise: „Falls ich Sie erschreckt habe, tut es mir leid. Zu beteuern, dass es nicht meine Absicht gewesen war, wäre eine Lüge. Leider wollte ich Ihnen tatsächlich einen Schrecken einjagen.
Wenigstens am Anfang.“ Er lächelte. „Aber Sie werden erleichtert sein zu hören, dass ich jetzt wieder mehr ich selbst bin.“
„Sie scheinen mir auch ein wenig nüchterner“, flüsterte Rachel.
„Das macht die Armeeausbildung. Der Anblick einer Waffe, die auf einen gerichtet wird, das Geräusch eines Schusses, schaffen es meistens, einen Soldaten wieder zur Vernunft zu bringen.“
Er zögerte, als wollte er noch etwas sagen, hielt aber inne und rieb sich müde die Stirn. „Kommen Sie, ich bringe Sie nach Hause“, bat er sie dann leise.
Mehrere Male während der kurzen Fahrt nach Beaulieu Gardens hatte Rachel gehofft, Connor in ein Gespräch ziehen zu können. Doch er schien ihrem Blick auszuweichen, so wie er sich ihr gegenüber in eine Ecke gesetzt hatte und ausdruckslos aus dem Fenster sah. Es musste bald Mitternacht sein, so ungewöhnlich still war es in den Straßen. Kein Nachtwächter rief die Stunde, keine Bettler klammerten sich an die Tür der Kutsche und
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