03 - komplett
sich überhaupt nicht verändert, Miss Meredith“, sagte Adam, als er ihren gemurmelten Kraftausdruck vernahm.
Sylvie nahm seine trockene Bemerkung kaum wahr, ihre ganze Aufmerksamkeit war auf John Vance gerichtet, der zu ihnen herüberkam. Sie versuchte ihm mit weit geöffneten Augen und leichtem Kopfnicken zu bedeuten, sie nicht anzusprechen, doch John bemerkte ihre Gesten nicht. Gleich darauf stand er neben ihr.
„Es ist noch ein Zimmer frei, und die Wirtin wird uns eine Mahlzeit richten. Wer ist das?“, sprudelte er in seiner gewohnt offenen Art hervor. Fragend blickte er von Sylvie zu Adam.
Adam musterte den kräftigen jungen Kerl abschätzig, der näher bei Miss Meredith stand, als es sich geziemte. Vielleicht ist er ein treuer, zuverlässiger Dienstbote der Familie ... Vielleicht aber auch nicht, dachte er, als er sah, wie der Bursche sich bei ihr unterhakte.
„Wollen Sie uns nicht vorstellen?“, fragte Adam, den attraktiven Mann irritiert musternd, als dieser nun auch noch besitzergreifend Sylvies Hand umfasste.
Sylvie senkte den Blick und wünschte, der Boden würde sich auftun und sie verschlingen. Es gibt so viele Gasthöfe entlang der Great North Road, warum nur musste Lord Rockingham ausgerechnet in demselben Gasthof absteigen wie John und ich? dachte sie.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als den Stier bei den Hörnern zu packen und zu enthüllen, warum sie und John gemeinsam reisten. Sie schaute Adam, der sie unverwandt musterte, argwöhnisch an. Einen Moment lang verschmolzen ihre Blicke, und eine seltsam eindringliche Erinnerung nahm sie gefangen. Als Lord Rockingham sie das letzte Mal auf diese Weise anblickte, hatte sie ebenfalls, so wie jetzt, ein merkwürdiges Prickeln verspürt, das sie völlig durcheinanderbrachte.
Ärgerlich über sich selbst, hatte sie ihn schroff zurechtgewiesen. Hugo Robinson hatte sie in ganz ähnlicher Weise zurückgewiesen, doch er hatte nur rau gelacht und ihr gesagt, er würde ihr zeigen, warum er sie auf diese Weise anschaute. Und zu ihrem Entsetzen hatte er Wort gehalten und genau das getan.
„Nun?“, fragte Adam.
Sylvie setzte gerade an, das erwartungsvolle Schweigen mit einer sorgfältig zurechtgelegten Erklärung zu unterbrechen, doch ihr Freund kam ihr zuvor.
„Mein Name ist John Vance, und diese Dame ist meine Gemahlin.“
2. KAPITEL
„Ihre Gemahlin?!“, fragte Adam.
Sein ungläubiges Erstaunen und die Belustigung in seiner Stimme veranlassten Sylvie zu einem herausfordernden Blick. „Jawohl, ich bin Mrs. Vance. Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden, wir möchten jetzt speisen. Mein Gatte hat uns eine warme Mahlzeit und ein Zimmer besorgt.“
„Das Zimmer ist bereits gerichtet, und ich habe uns das Essen hinaufschicken lassen“, bestätigte John.
Doch ihre Hoffnung, Adam nun rasch zu entkommen, wurde sogleich vernichtet. Die Verblüffung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er sagte: „Bitte entschuldigen Sie, wenn ich es bisher versäumt habe, mich vorzustellen. Sie können ja nicht wissen, wer ich bin. Adam Townsend, ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Kurz machte er eine Pause, ehe er hinzufügte: „Meine Glückwünsche, Mr. Vance, Sie können sich glücklich schätzen, Miss Merediths Zuneigung errungen zu haben.“
Verlegen lächelnd murmelte John seinen Dank und streckte den Arm aus.
Ohne zu zögern, ergriff Adam die schwielige Hand und schüttelte sie.
Sylvie, die eine weitere Unterhaltung unbedingt vermeiden wollte, sah sich gezwungen einzugreifen. „Guten Abend, Mylord“, sagte sie und lenkte John zum Gasthof zurück. So inständig war ihr Wunsch, Adams überwältigender Gegenwart zu entkommen, dass sie sich, erst als sie die ausgetretenen Stufen zu ihrer Kammer hinaufstiegen, fragte, warum er sich nicht als Marquess of Rockingham vorgestellt hatte.
„Verflixt!“, platzte sie heraus, sobald sich die Zimmertür hinter dem Schankmädchen schloss, das ihnen die Mahlzeit gebracht hatte.
John schaute Sylvie beunruhigt zu, wie sie wie ein Tiger im Käfig, die Hände geballt, hin und her lief. „Komm, setz dich doch und iss etwas“, meinte er.
„Mir ist der Appetit vergangen. Warum um alles in der Welt mussten wir ausgerechnet ihm begegnen!“
„Wieso ist es schlimmer, ihm zu begegnen als einem anderen Bekannten von dir oder mir?“
„Oh, das ist halt eben so!“, sagte Sylvie ungehalten, obwohl sie wusste, dass John recht hatte. Es war äußerst großes Pech, überhaupt einen Bekannten getroffen zu
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