03 - Saison der Eifersucht
für
den verlorengegangenen Hund.
Beauty war auf
Entdeckungsreise gegangen. Irgend jemand hatte seine Leine gestohlen, und er genoss
jetzt die Freude, herumzulaufen, ohne im Gebüsch hängenzubleiben. Sein Magen
knurrte. Er hielt die Nase in den Wind. Das köstliche Aroma von Westfälischem
Schinken lag in der Luft. Er ging immer seiner Nase nach, bis er auf eine
Lichtung gelangte.
Vor ihm waren im
Halbkreis eine Art Logen aufgebaut, in denen Damen und Herren an Tischen saßen
und-ein Abendessen im Freien einnahmen.
Plötzlich richteten
sich Beautys Knopfaugen auf ein Paar in einer der niedrigen Logen. Er erkannte
den Herrn. Und so überzeugt, dass er willkommen war, wie nur ein maßlos
verwöhntes Tier es sein kann, sprang Beauty mit freudigem Gewinsel auf ihn zu.
Der Marquis of Huntingdon fühlte sich müde
und matt. Er begann allmählich zu glauben, dass es ihm bestimmt sei, das Leben
eines Mönches zu führen. Neben ihm am Tisch saß Belinda Romney. Ihr Haar war
pomadisiert und glänzte, ihre Augen glitzerten so grün wie die Smaragde um
ihren Hals. Ihre Schultern waren herrlich. Der Marquis fühlte plötzlich eine
tiefe Abneigung gegen sie. Er würde nie mehr bei ihr liegen können. Wie viele
solcher vollerblühten Rosen hatte er schon gepflückt? Plötzlich erinnerte er
sich daran, wie er, als er noch Kinderröckchen trug, Süßigkeiten gestohlen und
zuviel davon gegessen hatte. Seine Mutter, die nichts von seinem Vergehen
ahnte, hatte ihm später etwas Süßes angeboten, und er war ganz grün im Gesicht
geworden und aus dem Salon gelaufen. Er fühlte sich jetzt genau wie jener
kleine junge, wenn er Belinda ansah.
Seit der Zeit, als
ihm die Treulosigkeit seiner verstorbenen Frau bewiesen hatte, dass sich hinter
scheinbarer Reinheit und Unschuld das Herz einer Dirne verbergen konnte, hatte
er es vorgezogen, sich mit Halbweltdamen zu vergnügen. Bei ihnen war er
wenigstens vor Enttäuschungen sicher.
Es wurde ihm klar,
dass er seine Affäre mit Belinda beenden musste. Es würde kostspielig werden -
aber nur finanziell, nicht gefühlsmäßig.
»Belinda, unser
Verhältnis war immer sehr erfreulich -«, begann er.
»Und wäre
vielleicht noch erfreulicher«, sagte Belinda, »wenn wir essen könnten. Willst
du den Schinken endlich aufschneiden, oder ist er nur als Tischschmuck
gedacht?«
»Entschuldige
bitte.« Der Marquis erhob sich, trat an den kleinen Anrichtetisch und nahm das
lange Tranchierbesteck in die Hand. Er hatte gerade ein paar Schinkenscheiben
abgeschnitten und war dabei, sie auf einer Platte anzurichten, als er auf
einmal Harriet Metcalfs Arme um seinen Hals und ihre Lippen auf seinen spürte.
Die Phantasie war so wirklich, dass ihn eine Welle der Zärtlichkeit
durchströmte. Er merkte nicht, was um ihn vorging, beachtete nicht, dass
Belinda schreiend zusammenfuhr, als Beauty auf den Stuhl sprang, von dem der
Marquis eben aufgestanden war, und liebenswürdig in die lachende Menge schaute.
Der Marquis stellte
geistesabwesend die Schinkenplatte vor Beauty auf den Tisch.
Die Vision von
Harriet verblasste.
Er traute seinen
Augen nicht. Belinda gab gurgelnde Geräusche von sich und deutete auf Beauty,
der,-sich auf die Schinkenplatte gestürzt hatte.
Der Marquis
erkannte Beauty. »Was machst du denn hier?« fragte er.
»Erwartest du, dass
dir der Hund antwortet?« kreischte Belinda. »Das ist das Tier, das im Park auf
mich losgegangen ist.«
»Es ist Harriet
Metcalfs Hund«, sagte der Marquis und beugte sich über die Logenbrüstung; mit
den Augen suchte er die Menschenmenge ab.
»Ach nein!«
Belindas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie hatte sich Harriets
Namen beim Ball der Phillips sagen lassen, da sie unbedingt wissen wollte, wer
die blonde Zauberin war, die ihr den Liebhaber abspenstig machte.
»Huntingdon«,
befahl Belinda in scharfem Ton, »schaff uns das Tier vom Hals.«
»Sogleich«, sagte
er, während seine Augen immer noch die Leute musterten. »Ich halte nach Miss
Metcalf Ausschau.«
»Oooh!« Vor Wut
nicht mehr zu bremsen, schlug Belinda heftig mit dem Fächer auf Beautys
schmalen Kopf. Beauty packte den Fächer, zerbiss knirschend die Schildpattstäbchen
und spuckte die Bescherung auf den Tisch.
Belinda erspähte
einen ihrer Bewunderer in der spottenden und lachenden Zuschauermenge.
»Huntingdon«, sagte sie, »wenn du nichts gegen diesen Köter unternimmst,
verlasse ich dich.«
Der Marquis
antwortete nicht, weil er gerade Lizzie entdeckt hatte.
»Ah, da ist
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