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03 - Schatten Krieger

03 - Schatten Krieger

Titel: 03 - Schatten Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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sagte sie und führte ihn zurück in den Salon, wo sie die Vorhänge aufzog und das Licht hereinließ. »Was willst du hier?« »Vater hat beschlossen, die Wallfahrt zur Insel von Besh-Darok zu unternehmen«, erklärte Atemor und betrachtete die Bücher, die sich auf den Stühlen und Regalen stapelten. »Er hat ausdrücklich daraufhingewiesen, dass es unsere heilige Pflicht sei, ihn zu begleiten.«
    »Und meine Mutter?«, fragte sie. »Ist sie mit ihm gegangen?«
    Atemor lächelte spöttisch. »Sie hat sich schlicht geweigert. Sie hat gedroht, ihm das Leben zur Hölle zu machen, wenn er sie dazu zwingen würde.«
    »Die anderen sind mitgegangen?«, wollte Tashil wissen.
    »Frauen, Brüder, Schwestern, selbst die Großmütter und zwei Großväter…«
    Er zählte eine Reihe von Namen ihrer Halbgeschwister auf und ratterte eine kurze, traurige Liste von denen herunter, die seit Tashils letztem Besuch gestorben waren. Während sie zuhörte, kam es ihr vor, als würde sie wieder von dem eingeholt, was
Familie
bedeutete, von der Essenz genau dessen, wovor sie seit ihrem freiwilligen Exil fliehen wollte. Doch statt davon erdrückt zu werden, genoss sie es, von ihren vielen Verwandten in der weit verzweigten Akri-Familie zu hören.
    Dann schien Atemor jedoch keine Lust mehr zu haben, weitere Familiengeschichten zu erzählen, oder ihm fiel nichts mehr ein, oder beides, was Tashil zur nächsten Frage brachte.
    »Ist die Familie wohlbehalten in Besh-Darok angekommen?«
    »Ja, wir haben einen sehr schönen Lagerplatz nördlich der Stadt gefunden.«
    »Dann sag mir eines: Wenn sie in Besh-Darok lagern, was machst du dann hier in Sejeend?« Atemor schwieg eine Weile, und als er sie schließlich ansah, bemerkte Tashil die Furcht und Verzweiflung in seinen Augen. Ihr Unbehagen schlug in Angst um.
    »Ich habe letzte Nacht Wache gehalten«, erklärte er. »Alles war ruhig, bis auf das Summen der Krezziks in den Büschen. Plötzlich hörte ich … diese Stimme. Erst hat sie nur geflüstert, doch sie wurde rasch lauter und befahl mir, nach Sejeend zu kommen, alles stehen und liegen zu lassen und hierher zu reiten, ohne Pause und ohne Verzögerung!« Seine Stimme zitterte. »Ich dachte erst, ich würde unter Halluzinationen leiden, wie diese alten Baumeremiten von Gulmaegorn, dann glaubte ich, es wäre die Stimme eines Gottes, vielleicht sogar die von der Grauen Eminenz selbst.
    Als Nächstes kann ich mich nur noch daran erinnern, dass ich über eine der Brücken nach Süden geritten bin. Die Stimme hat meinen ganzen Schädel ausgefüllt, wie eine Wolke aus Schmerz, gegen die ich nicht ankämpfen konnte. Ich schien keine Kontrolle über meinen Körper mehr zu haben. Dann verlor ich das Bewusststein, und als ich wieder zu mir kam, ritt ich gerade nach Sejeend hinein. Immerhin gehörte mir mein Körper wieder, und auch die Kopfschmerzen waren verschwunden. Ich habe mich daran erinnert, wo du lebst, und bin zu dir gekommen. Ich bin durch ein Fenster in dein Geschäft eingestiegen.«
    Die Verzweiflung überwältigte ihn, und er sank auf die Knie.
    »Die Stimme ist immer noch da, Tash! Sie ruft mich ohne Unterlass, immer und immer wieder! Du musst mir helfen. Bin ich verflucht oder besessen? Hilf mir, ich flehe dich an. Als ich aufgewacht bin, klebte Blut an meinem Dolch …«
    Tashil blieb äußerlich ruhig, packte seine Hände und zog ihn wieder hoch. »Ich weiß nicht, wie ich dir helfen kann, Atti, aber ich kenne jemanden, der es kann.«
    Innerlich jedoch war sie entsetzt und einer Panik nahe. Wenn Calabos dir nicht helfen kann, was sollen wir dann tun?, dachte sie.

8
    Was für eine Falle mit honigsüßem Gift
Ist der Hof dieses boshaften Königs,
Wo tugendhafte Worte
Gier und Hass verschleiern,
Wo Eitelkeit sieh Mut nennt
Und die Grundmauern unbemerkt verfallen.
    JEDHESSA GANT, EIN KÖNIG IN ALVERGOST, 1. AKT, II. SZENE
    Das Stimmengewirr von etwa zweihundert Unterhaltungen erfüllte die von Säulen gestützte Audienzhalle des Tagfrieds, ein unaufhörlich tosendes Meer von Gesprächen. In diesem Lärm wurden Verbindungen erneuert, alte Feindseligkeiten in vornehme Spitzen gekleidet, die Rangordnung des Hochadels neu festgelegt, Beleidigungen versteckt oder offen ausgeteilt und Schmeicheleien mit oder ohne Ironie dargebracht. Da die Palastetikette eine zeremonielle Maskerade erforderte, boten sich enorme Möglichkeiten für Verwechslungen und Missverständnisse. Auf einen distanzierten Beobachter jedoch wirkten die versammelten

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