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03 - Tod im Skriptorium

03 - Tod im Skriptorium

Titel: 03 - Tod im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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schaute Eisten an. »Bist du sicher, daß dir nichts fehlt?«
    »Alles in Ordnung, danke«, antwortete Eisten ohne Überzeugungskraft.
    »Wenn du eine Seelenfreundin brauchst, wende dich einfach an mich.«
    Im Gegensatz zur römischen Kirche, in der jeder seine Sünden einem Priester zu beichten hatte, wies die irische Kirche jeder Person einen anamchara oder Seelenfreund zu. Er oder sie nahm nicht eine Beichte entgegen, sondern war eher ein Vertrauter, ein geistlicher Berater, der nach den Gebräuchen des Glaubens in den fünf Königreichen handelte. Fidelmas Seelenfreundin seit Erreichen des Alters der Wahl war Liadin von den Uí Dróna, ihre Freundin seit den Kindertagen. Doch es war nicht zwangsläufig so, daß der Seelenfreund vom gleichen Geschlecht sein mußte. Colmcille und andere Glaubensführer hatten Seelenfreunde vom anderen Geschlecht gewählt.
    Eisten schüttelte heftig den Kopf.
    »Ich habe schon eine Seelenfreundin in der Abtei«, wies sie Fidelma zurück.
    Fidelma seufzte und folgte zögernd Schwester Necht. Natürlich ging es Eisten nicht gut. Etwas ängstigte sie weiterhin. Fidelma wollte schon die Treppe hinabsteigen, als Schwester Eistens Stimme sie zurückhielt.
    »Sag mir, Schwester …«
    Fidelma wandte sich fragend um. Eisten starrte noch immer düster aufs Meer hinaus.
    »Sag mir, Schwester, kann eine Seelenfreundin das Vertrauen brechen, das man ihr geschenkt hat?«
    »Wenn sie das tut, dann, meine ich, kann sie keine Seelenfreundin mehr sein«, antwortete Fidelma sofort. »Aber das hängt von den Umständen ab.«
    »Schwester!« drängte Necht am Fuße der Treppe.
    »Reden wir später darüber«, schlug Fidelma vor. Eisten schwieg, und Fidelma ging langsam die Treppe hinunter zu Necht.
     
    In dem Zimmer, das Fidelma für ihre Befragungen angewiesen worden war, wartete ungeduldig der Verwalter der Abtei.
    Fidelma ließ sich auf dem Stuhl gegenüber Bruder Rumann nieder und bemerkte, daß Cass schon seinen Platz in der Zimmerecke eingenommen hatte. Fidelma sah Schwester Necht an. Sie hatte lange überlegt, ob es klug sei, sie bei sämtlichen Befragungen dabei sein zu lassen. Vielleicht konnte man sich darauf verlassen, daß sie alles für sich behielt, vielleicht aber auch nicht. Schließlich hatte Fidelma entschieden, es sei besser, sie nicht der Versuchung auszusetzen.
    »Ich benötige deine Dienste für eine Weile nicht«, erklärte sie Necht, die sichtlich darüber enttäuscht war. »Sicherlich hast du im Gästehaus noch andere Pflichten zu erfüllen.«
    Bruder Rumann war sehr einverstanden.
    »Das hat sie wirklich. Die Zimmer müssen gereinigt und in Ordnung gebracht werden.«
    Als Schwester Necht unwillig gegangen war, wandte sich Fidelma wieder dem Verwalter zu.
    »Wie lange bist du schon Verwalter der Abtei, Bruder Rumann?« begann sie.
    Sein feistes Gesicht verzog sich.
    »Seit zwei Jahren, Schwester. Warum?«
    »Verzeih die Frage«, meinte Fidelma höflich. »Ich möchte soviel über dich erfahren wie möglich.«
    »Dann laß dir sagen, daß ich seit dem Erreichen des Alters der Wahl in der Abtei bin – und das war vor dreißig Jahren.«
    In gekränktem Ton umriß er kurz seinen Lebensweg, als habe sie kein Recht, danach zu fragen.
    »Dann bist du also siebenundvierzig Jahre alt und seit zwei Jahren Verwalter?« stellte Fidelma zusammenfassend fest.
    »Genau.«
    »Sicher weißt du so gut wie alles, was es über Ros Ailithir zu wissen gibt?«
    »Alles«, antwortete Rumann selbstzufrieden.
    »Das ist schön.«
    Rumann runzelte leicht die Stirn und fragte sich, ob sie sich über ihn lustig machte.
    »Was willst du wissen?« erkundigte er sich.
    »Abt Brocc beauftragte dich mit der Untersuchung des Todes von Dacán. Was hast du herausgefunden?«
    »Daß er von einem Unbekannten ermordet wurde. Das war alles«, erwiderte der Verwalter.
    »Fangen wir bei dem Zeitpunkt an, als der Abt dir mitteilte, daß Dacán tot ist.«
    »Das teilte mir nicht der Abt mit, sondern Bruder Conghus.«
    »Wann war das?«
    »Kurz nachdem er den Abt von Dacáns Tod unterrichtet hatte. Ich traf ihn, als er zu Bruder Tóla eilte, unserem Unterarzt. Tóla untersuchte die Leiche.«
    »Was tatest du dann?«
    »Ich begab mich zum Abt, um ihn zu fragen, was ich machen sollte.«
    »Du gingst nicht zuerst in Dacáns Zimmer?«
    Rumann schüttelte den Kopf.
    »Was hätte ich dort ausrichten können, bevor Tóla Dacán untersucht hatte? Der Abt wies mich an, die Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Danach erst ging ich

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