0300a - Wir jagten die Brillanten-Haie
beherrschte sich. An seiner Stirn konnte ich jedoch ablesen, dass der Kampf noch nicht gewonnen war.
Ich verabschiedete mich von Mrs. Pearson. Die Frau wischte ihre fleischigen Hände an der Küchenschürze ab und brachte mich bis zur Tür.
***
Ernest LePage wohnte in seinem Elternhaus, das ebenfalls in der Bronx lag. Ich fuhr mit meinem Jaguar knapp fünf Minuten. Dann stand ich vor der Haustür. Es handelte sich um ein zweistöckiges Reihenhaus. LePage wohnte im zweiten Stock.
Ich legte den Finger auf die Klingel. Nach zehn Sekunden tönte der Summer. Ich drückte die Tür auf und betrat einen Hausflur, der mit einem abgetretenen Läufer ausgelegt war. An den Wänden hingen Miniaturölgemälde und Aquarelle.
Mrs. LePage stand am oberen Treppengeländer. Sie war spindeldürr und erweckte den Anschein, jeden Augenblick zusammenzubrechen. Sie fragte mich mit ersterbender Stimme nach meinen Wünschen.
Ich zückte meinen FBI-Ausweis und hielt ihn der Frau in Augennähe. Sie machte einige Schritte zurück und knipste das Flurlicht an.
»Sie kommen vom FBI?«, fragte sie ungläubig. »Was ist denn passiert?« Ihre ohnehin schon ängstlichen Augen weiteten sich.
»Nichts ist passiert. Oder haben Sie heute noch keine Zeitung gelesen?«
»Nein, Sir. Ernest hat sie heute Morgen geholt und sie mit Beschlag belegt.«
»Wo befindet sich Ihr Sohn?«
»Im Garten, direkt hinter dem Haus. Warten Sie, ich zeige Ihnen den Weg.«
Ich winkte ab, weil ich bezweifelte, dass die Frau überhaupt in der Lage war, aus eigener Kraft Treppen zu steigen.
Ich ging nach unten, öffnete die hintere Tür und betrat den Garten. Es handelte sich um eine Rasenfläche mit einem Goldfischteich und einer Brunnenfigur aus Ton. Dei Rasen war durch eine mannshohe Mauer eingezäunt, die von einer Hecke verdeckt wurde. Rechts lag eine Pergola. Ernest LePage hockte im Schatten und las in einem Buch.
»Hallo, Emest, haben Sie einige Sekunden Zeit für mich?«, fragte ich. Der Bursche schreckte zusammen, ließ das Büch sinken, klappte es zusammen und versteckte es hinter seinem Rücken.
»Natürlich habe ich Zeit, Agent Cotton«, sagte Emest LePage und sprang auf.
»Ein interessantes Buch?«, fragte ich und setzte mich auf die gegenüberhegende Bank.
»Nein, Sir, nur…«, stotterte er.
Ich streckte meine Hand aus. Er legte das Buch hinein. Es war das Lehrheft eines Detektiv-Fernkursus von der National Detective Academy in Garden Grove, Kalifornien.
»Wollen Sie umschulen? Es ist ein hartes Brot, Ernest, wenn man anderen Leuten auf die Spur kommen muss. Beispielsweise, woher Sie die Marihuana-Zigaretten beziehen.«
LePage wurde weiß wie eine Kalkwand. Ich warf ihm einen flüchtigen Blick zu und fuhr fort: »Well, Hallaway wird Ihnen keine Zigaretten mehr liefern. Versuche Sie bitte nicht, sich Nachschub auf irgendeine andere Art zu verschaffen, in Parks beispielsweise. Wie lange rauchen Sie schon Marihuana?«
LePage rückte sofort mit dem Geständnis heraus. Er schien darauf gewartet zu haben, dass ihn jemand danach fragte. Dies war seine Geschichte: Hallaway hatte ihm die erste Zigarette nach der Arbeitszeit im Geschäft angeboten, weil er entdeckte, das LePage ein starker Raucher war. Dann belieferte er ihn im Abstand von zwei bis drei Tagen regelmäßig. Erst kostenlos, später, als Emest LePage an das Rauschgift gewöhnt war, nahm er gepfefferte Preise. Er ist die übliche Masche der kleinen Rauschgifthaie, die wenigstens so viel daran verdienen wollen, dass sie sich ein Nachtleben in zweifelhaften Bars erlauben können.
»Kennst du den Lieferanten von Hallaway?«
Emest LePage schüttelte den Kopf.
»Nein, Sir. Ich hasse Hallaway wie die Pest.«
»Okay, du erinnerst dich an unser Gespräch? Wenn Hallaway Kontakt sucht, um die neue Zigaretten zu verkaufen, rufst du mich an?«
»Ja, Sir, und ich will versuchen, ohne die Marihuanas auszukommen.«
»Ich kümmere mich wieder um dich. Kann ich bei euch eben telefonieren?«
Der Junge führte mich ins Haus. Wir gingen die Treppen hoch. Mrs. LePage war nicht zu sehen, als wir die Wohnung betraten. Das Telefon stand auf einer alten Kommode, die muffig roch.
Ich wählte die Nummer LE 5-7700, unser Distriktgebäude, und ließ mich mit Phil verbinden.
»Hallo, Jerry, gut dass du anrufst. Soeben hat Mrs. Lerman angerufen. Sie befindet sich auf dem Weg zum Distriktgebäude und versucht, unliebsame Verfolger abzuschütteln. Der Anruf kam von der Grand Central Station. Vielleicht können wir
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