0314 - Elektronische Hölle
entsprechenden Schatten, auch jetzt, wo Zweige und Äste ihr Laub verloren hatten.
Das Gras sah in der Dämmerung noch dunkler aus. Atemdampf stand vor den Lippen des jungen Mannes, als er auf einem schmalen Weg weiterging, der ihn direkt auf das Gartenhaus zuführte.
Es war stabil gebaut, stand ziemlich geschützt in einem kleinen offenen Baum-Karree und besaß eine dicke Holztür, die durch ein Vorhängeschloß gesichert war.
Natürlich besaß auch Mike den Schlüssel. Er holte ihn aus der Tasche und öffnete.
Vorsichtig betrat er das Gartenhaus. Licht gab es ebenfalls. In seinem Schein sah er Spaten, Hacken und Schaufehl sowie Gießkannen und Schubkarren. Die Arbeitsgeräte hingen in Spezialhaltern an den Wänden, und Mike hatte keine Mühe, das für ihn richtige Werkzeug herauszunehmen.
Er entschied sich für einen Spaten und eine Schaufel. Beides schaffte er aus dem Gartenhaus zu einem Platz, den er sich schon zuvor ausgesucht hatte.
Er lag hinter dem Haus, gedeckt durch Bäume, dennoch relativ frei, so daß er Platz hatte, um ein Loch zu graben. Von dieser Stelle aus war es auch nicht weit bis zur Grundstücksgrenze. Ein mit Strom geladener Zaun sicherte sie.
An diesem Abend wurde die Anlage ausgeschaltet. Walter Broicher wollte nicht riskieren, daß sich einer seiner Gäste lebensgefährlich verletzte.
Der junge Mann schob die Tür zu, verschloß sie aber nicht und kümmerte sich erst einmal um den toten Boßbach.
Wieder mußte er ihn mitschleifen. Als er die Grabstelle erreicht hatte, atmete er sichtlich auf. Endlich war es geschafft.
Harry Boßbach verschwand unter Buschzweigen, als er fallen gelassen wurde.
Mike begann mit seiner Arbeit.
Körperliches Schaffen war er nicht gewohnt. Schon nach wenigen Minuten begann er zu schwitzen, weil die Arbeit ungewohnt und anstrengend war.
Er wollte nicht ein Grab schaufeln, das so lang war wie der Tote selbst. Man konnte dessen Beine knicken.
Mike wühlte.
Er war so in seine Arbeit vertieft, daß er auf seine Umgebung nicht achtete.
Die Dämmerung ging in die Dunkelheit über. Wo Mike grub, brannte kein Licht. Das paßte ihm überhaupt nicht. Er ging in das Gartenhaus zurück und holte dort eine batteriebetriebene Laterne hervor, die er auf den Boden stellte.
Ihr bleicher Schein machte die Szene noch gespenstischer, als sie in Wirklichkeit schon war.
Mike schuftete wie besessen. Hin und wieder legte er eine kleine Pause ein und wischte sich übers Gesicht. Manchmal vernahm er auch fremde Geräusche. Vom Haupthaus drangen sie zu ihm herüber. Er hörte Stimmen und auch zweimal eine Autohupe.
Er kicherte leise, bevor er sagte: »Wenn die feine Gesellschaft wüßte, was sich in der Nähe tut. Da würden die meisten gleich in Ohnmacht fallen.«
Aber daran dachte keiner. Wenn Walter Broicher ein Fest gab, haute das hin. Es geschah nicht häufig, aber man kam gern zu seinen Einladungen.
Mike lachte verbissen, als er daran dachte. Das alles interessierte ihn nicht. Was waren schon Feste gegen seinen Kontakt mit dem Teufel?
Da die Grube schon ziemlich tief in die Erde reichte, mußte er sich öfter als gewöhnlich bücken. Dabei geriet sein Gesicht stets in den Schein der Laterne und bekam einen blassen Touch, der sich kaum von dem einer Leiche unterschied.
Zum Glück war die Erde nicht mehr gefroren, so konnte er Schaufel für Schaufel zur Seite schleudern.
Noch einmal schaute er nach, und nickte sich selbst zu. Ja, das mußte reichen. Die Grube sollte ja nicht so tief wie ein normales Grab werden.
Jetzt brauchte er nur noch den Toten zu holen. Die paar Schritte bis zum Gebüsch waren rasch zurückgelegt, doch Mike kam nicht mehr dazu, sich zu bücken und die Leiche hervorzuholen.
Jemand sprach ihn an.
»Guten Abend, Herr Broicher!«
***
Der Sprecher war ich!
Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, als Michael Broicher, wie von der Tarantel gestochen, herumfuhr und einen leisen Schrei ausstieß, so sehr hatte ihn mein Gruß überrascht.
Er stand da wie ein Break Dancer mit seiner eingefrorenen Robothaften Haltung. Seine Augen hatten sich ungläubig geweitet. Mit einer Überraschung dieser Art hätte er nie gerechnet.
»Vergraben Sie etwas?« fragte ich.
Er atmete hektisch. »Verdammt, was geht Sie das an? Wo kommen Sie überhaupt her?«
»Man hat mich hereingelassen, und ich schaue mich nur ein wenig um. Schließlich haben wir uns schon kennengelernt.«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Wir sprachen am Telefon miteinander.«
Auf seinem
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