0316 - Das Todeslied der Unterwelt
gestohlenen Waren und verhökert dann auch noch das angeblich gestohlene Zeug. Die Frau aber macht so was nicht mit — und was ist das Resultat? Sie wird umgebracht. Aber damit nicht genug, Phil: Die Frau hatte einen Geschäftsführer eingestellt — und auch der wird umgebracht. Er hieß Fitzgerald Boones!«
Phil stieß einen Pfiff aus.
»Jetzt zeichnet, sich wenigstens langsam ab, warum dieser Boones überhaupt umgebracht wurde! Und die Ermordung von Helen Webster erscheint jetzt auch nicht mehr ganz so rätselhaft. Die Mordkommission hatte keine Kenntnis von dem Material, das Gordon über die Einbrüche und Warendiebstähle zusammentrug. Sie ahnte also nichts von den Hintermännern. Damit mußte ihr das Motiv für die Ermordung der Frau schleierhaft bleiben.«
Das Telefon schlug an. Ich nahm den Hörer und sagte:
»Cotton.«
Die Stimme eines Kollegen aus der Zentrale drang durch die Leitung: »Jerry, da ist ein Anruf, mit dem ich nichts anzufangen weiß. Eine Frau möchte jemand sprechen, sie redet wirres Zeug, aus dem nicht schlau zu werden ist. Ich habe nur zwei Namen verstanden, die sie immer wieder erwähnt. Der eine Name lautet Quasten oder Questen oder so ähnlich, und der andere ist Arondack. War das nicht der Sergeant von der Stadtpolizei, auf den kürzlich ein Mordanschlag verübt wurde?«
»Stimmt, das war er. Kann der andere Name Roberta Questen gewesen sein?«
»Durchaus möglich. Die Frau, die anruft, muß einen Nervenzusammenbruch oder was Ähnliches haben. Sie weint, schluchzt und redet durcheinander.«
»Stell das Gespräch durch!«
Ich gab Phil einen Wink, daß er die Muschel nehmen sollte, über die er das Gespräch mithören konnte. Er runzelte erstaunt die Stirn und tat, was ich ihm gezeigt hatte. In der Leitung war eine weibliche Stimme, die von Weinen und Schluchzen derart verzerrt wurde, daß man kaum ein Wort verstehen konnte.
Ich hörte eine Weile vergeblich zu, dann unterbrach ich die Frau so sanft wie möglich.
»Hören Sie bitte«, sagte ich. »Hier ist G-man Jerry Cotton vom FBI New York. Ich würde Ihnen sehr gern helfen, Ma‘am, aber ich kann Sie kaum verstehen. Am besten ist es vielleicht, wenn ich Sie aufsuche. Würden Sie so freundlich sein und mir Ihren Namen und die Anschrift durchgeben?«
Ich mußte meine Bitte noch zweimal wiederholen, bis die Frau mich verstanden zu haben schien.
»Oh«, schluchzte sie, »ja, vielleicht… wenn Sie mich auf suchen wollen…ja, das ist… 456, Sir… in der East 87th Street… ja, da ist es…«
»Und wie ist Ihr Name, Ma'am?«
»Ich? Mein Name? Ach so, ja… ich heiße Lyona Insert.«
»Ich bin in etwa zehn Minuten bei Ihnen«, versprach ich. »Vielleicht ruhen Sie sich inzwischen ein wenig aus. Wir werden Ihnen schon helfen, Ma'am. Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich ein bißchen aus. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Ich legte den Hörer hin, stand auf und griff nach dem Hut. Phil legte nachdenklich die Mithörmuschel aus der Hand.
»Sonderbar«, murmelte er. »Was kann dieser Anruf bedeuten?«
Ich zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung, Phil. Die Frau hat sich der Zentrale gegenüber ein paarmal auf Arondack und den Mordfall Roberta Questen berufen. Du weißt, dieser Fall gehört zu den Morden, von denen der Versicherungsdetektiv annimmt, daß Tim O. Georgeton dabei seine Hand im Spiel hat. Wir müssen auf jeden Fall mit der Frau sprechen. Vielleicht bringt uns das wieder ein Stück weiter. Versuchen müssen wir es.« Natürlich begleitete mich Phil auf der Fahrt zu Lyona Insert.
Das Haus fanden wir mühelos.
Es war ein Apartmenthaus, aber wir konnten nirgendwo den Namen Insert entdecken.
Bis wir nach längerem Suchen den Hausverwalter aufgetrieben hatten.
»Lyona Insert«, grinste er breit und ein wenig anzüglich. »Das ist ihr Künstlername. Sie singt in einem Nachtclub — wenigstens behauptet sie das. Und da sie vormittags immer schläft und erst am späten Nachmittag weggeht, muß es wohl stimmen. Ihr wirklicher Name ist Paula Questen.«
Phil warf mir einen flüchtigen Blick zu. Ich zuckte nicht mit der Wimper. Roberta Questen — Paula Questen, vielleicht waren sie Schwestern. Wir würden ja sehen. Ich erkundigte mich nach der Nummer des Apartments.
»Achtzweiundsechzig«, sagte der Hausverwalter.
»Danke«, eiwiderte ich und marschierte zum Fahrstuhl.
In der achten Etage verrieten Aufschriften und Pfeile an den Ecken der Korridorverzweigungen, wohin wir uns zu wenden hatten.
Gerade waren wir um die Ecke in
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