0319 - Im Würgegriff des roten Dämons
niemals geschehen.«
»Rob ist fort, nicht?« fragte das Mädchen nach einer Weile. »Ist er tot?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Bill. »Ich hoffe, daß er noch lebt. Ich müßte versuchen, das Tor aufzuzwingen. Vielleicht kann ich es. Aber ich fühle mich einfach nicht dazu in der Lage.«
Carol sagte nichts.
»Liebst du ihn?« fragte Bill plötzlich.
Sie zuckte mit den Schultern; eine kaum wahrnehmbare Bewegung im flackernden Zwielicht des niederbrennenden Feuers.
»Ich bin mir nicht sicher. Er fasziniert mich sexuell, und er ist geheimnisvoll. Aber ohne ihn würde ich sicherer, ruhiger leben… ihr kennt euch lange?«
»Nicht lange. Aber wir haben einige Dinge miteinander erlebt. Haarsträubende Dinge. Ich durchschaue ihn nicht. Ich frage mich, warum er selbst das zu verbergen trachtet, was offensichtlich ist. Ich glaube, er traut niemandem. Nicht einmal sich selbst.«
»Und er lebt gefährlich, nicht wahr?«
»Er ist ein Abenteurer. Ständig unterwegs und in Gefahr. Hat er dir das nicht gesagt?«
Sie nickte. »Ja. Ich glaubte, mich in ihn verliebt zu haben… am ersten Morgen, den wir zusammen erlebten. Du hattest gerade angerufen. Jetzt… ich bin nicht mehr sicher. Ich kenne ihn nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich ihn wirklich so kennenlernen möchte, wie er ist. Ich empfinde so etwas wie… Angst. Angst vor dem, was sich hinter der Maske verbirgt. Aber ich wünsche ihm nichts Böses. Ich wollte, es gäbe eine Möglichkeit, ihm zu helfen.«
»Helfen.« Bill spie das Wort aus.
»Wir haben uns schon seit wir uns kennen gegenseitig geholfen, und das ist auch jetzt nicht anders. Ich muß ihn aber erst finden. Ich muß das Tor öffnen. Und… ich weiß nicht, wie mächtig der Dämon wirklich ist. Ich habe kaum etwas gegen ihn einzusetzen als mein Wissen über Magie. Es ist nicht wenig, aber ich weiß nicht, ob es reicht. Er ist kein Vampir, kein Werwolf, kein Ghoul oder Zombie. Er ist viel, viel mehr.«
»Versuche es«, bat Carol. »Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann helfe ich.«
Er lachte bitter auf.
»Das dürfte kaum möglich sein… erst einmal werden wir dir helfen. Ich denke, du wirst mein Hemd anziehen, es müßte lang genug sein, daß es das Nötigste bedeckt, und wir suchen uns eine Unterkunft. In der Nacht wage ich hier nichts anzurühren. In der Nacht sind die Dämonischen am Stärksten. Und wenn ich es am Tage nicht schaffe, werde ich noch einmal Himmel und Hölle in Bewegung setzen, daß ein alter Freund kommt.«
»Ein anderer Freund? Einer, der ebenfalls… von diesen unheimlichen Dingen weiß?«
Er nickte. »Ein Professor für Parapsychologie. Der älteste und beste Freund, den ich habe. Und… ich habe Angst, ihn hineinzuziehen. Ich will nicht, daß es ihn ebenso erwischt wie Tendyke. Und… ich weiß nicht einmal, ob ich ihn erreiche. Er ist auf Südseekreuzfahrt. Irgendwo bei Tahiti. Ich hoffe, daß ich es allein schaffe.«
Carol sah ihn leicht vorgebeugt eindringlich an.
»Vielleicht wirst du sterben, wenn du es allein versuchst.«
»Vielleicht«, sagte er. »Wäre es schlimm? Ich bin gestorben, als Manu starb. Was jetzt noch sterben kann, ist nur noch mein Körper. Ich bin so oft in Todesgefahr gewesen, früher, als ich an Zamorras Seite kämpfte… und ich habe in den letzten Monaten viel Zeit gehabt zum Nachdenken. Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod. Er bringt mich Manu näher.«
»Du bist ein Kämpfer, kein Selbstmördertyp.«
»Nein. Zum Selbstmord bin ich zu feige«, sagte er ruhig. »Aber wenn der Tod kommt, ist er mir ebenso willkommen wie das Leben. Wahrscheinlich wirst du das nicht verstehen können. Du bist zu jung dafür, du hast dein Leben noch vor dir. Ich habe lange gelebt und viel erlebt, mehr als die meisten anderen Menschen. Es genügt.«
»Für einen Weisen bist du aber auch nicht alt genug. Mit deinen Worten versteckst du doch nur dein verdammtes Selbstmitleid«, sagte sie fast schroff. »Glaubst du, du bist der einzige Mensch der Welt, dem ein solch tragisches Schicksal widerfährt? Versuch doch mal, nicht alles aus deinem gewollt eingeengten Blickwinkel zu sehen, du Narr! Die Welt lebt nicht für dich, sondern du lebst für die Welt!« Sie sprang auf und lief in die Dunkelheit davon.
Bill folgte ihr nicht. Er blieb am Feuer sitzen, bis es fast niedergebrannt war. Irgendwann kehrte Carol zurück.
»Was wirst du jetzt tun?«
»Du weißt wahrscheinlich nicht, wo deine Polizeiuniform liegt, nicht?« fragte er und sah, wie sie zusammenzuckte.
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