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032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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der Nacht konnten sie die Araber unentdeckt im Herzen des Feindes aussetzen, ohne dass sie oder das russische Volk dafür verantwortlich gemacht würden.
    »Dieses CK-512…«, begann Bajgarin vorsichtig, weil er wusste, dass er ein heikles Thema anschnitt, »… ist wohl sehr wirksam.«
    Hamids Miene verdunkelte sich. Sein Bruder hatte ihm eingeschärft, nicht zu redselig zu sein. Andererseits, den russischen Verbündeten konnte er doch wohl trauen, oder?
    Seine ebenmäßigen Zähne blitzten zwischen den Lippen auf, als er sich zum Reden entschloss.
    »Es heißt, es stammt aus Saddams unterirdischer Chemiefabrik«, raunte er verschwörerisch, wohl wissend, dass die vergebliche Bombardierung dieses Ziels einen Stachel im Fleisch der NATO darstellte. »Eine der zehn Einheiten reicht aus, um Zehntausende von Männern in den Wahnsinn zu treiben!«
    Bajgarin stieß ein anerkennendes Pfeifen aus. Auch wenn er ein gerütteltes Maß an orientalischer Übertreibung abzog, blieb immer noch eine fürchterliche Waffe, die den Amerikanern mehr als nur Kopfschmerzen bereiten würde.
    »Damit könnt ihr mehr als ein Dutzend Militärbasen ausrotten«, gestand er.
    Hamid machte eine wegwerfende Handbewegung, als ob sein neuer Freund nicht die Größe der Mission erkennen würde.
    »Wir werden unser Leben und unsere Ressourcen nicht mit Angriffen auf gut geschützte Einzeleinrichtungen verschwenden«, dozierte er von oben herab.
    »Wir haben genügend CK-512, um eine Metropole zu entvölkern. Damit machen wir ganz Washington zur Geisterstadt!«
    Bajgarin wurde auf einen Schlag kalkweiß im Gesicht. Sein Entsetzen war so deutlich zu sehen, dass Hamid erschrocken verstummte. Der Junge fürchtete, dass er etwas Beleidigendes gesagt haben könnte, doch so oft er auch seine englischen Vokabeln rekapitulierte, ihm fiel einfach kein falsches Wort auf.
    Wie sollte er auch ahnen, dass er gerade das Lügengespinst zerrissen hatte, mit dem Bajgarin den CK-512-Transport vor seinem Gewissen rechtfertigte?
    »Ihr wollt gegen die Zivilbevölkerung vorgehen?«, keuchte der Russe entsetzt.
    »Aber… ich denke, ihr bekämpft ausschließlich militärische Ziele!«
    Hamids Stirnrunzel belegte, wie falsch er lag. »Wir wollen Gleiches mit Gleichem vergelten. Wie es in eurer Bibel steht: Auge um Auge, Zahn um Zahn.«
    Ein entsetztes Stöhnen verließ Bajgarins Kehle. Sein verdammter Schwager hatte ihn angelogen! Einen Moment lang verschwamm die Leitzentrale vor seinen Augen. Aus den Schleiern bildete sich das Schreckensbild einer amerikanischen Großstadt, in deren Straßen sich die Leichen meterhoch stapelten. Du Narr, hämmerte eine gehässige Stimme hinter seiner Stirn. Du hast Nikolai das Märchen vom sauberen Krieg doch nur abgenommen, weil du es glauben wolltest.
    Wenn es Bajgarin je gelungen war, sein Gewissen einzulullen, dann war es plötzlich wieder hellwach.
    »Ihr könnt doch nicht Millionen unschuldiger Menschen für die logistischen Fehler der Militärs bestrafen«, beschwor er Hamid. »Was glaubst du wohl, wie viele russische Einwanderer in Washington leben, die ihre Heimat nur verlassen haben, weil sie sonst verhungert wären? Und was ist mit euren islamischen Brüdern, die sogar für eure Sache streiten? Glaubst du ernsthaft, die haben etwas mit dem Tod deiner Mutter zu tun?«
    Hamids Gesicht wurde plötzlich so verschlossen wie Fort Knox. Ein feuchter Glanz trat in seine Augen, doch er kämpfte die Tränen zurück. Er wollte nicht um seine Mutter weinen, sondern wie ein Mann handeln.
    Sie rächen.
    »Es ist mir egal, wie viel Russen, Libyer oder Iraker dabei draufgehen, wenn die Amerikaner zahlen«, stieß er aufgebracht hervor. Seine Stimme, die vor Aufregung in einen kindlichen Sopran und wieder zurück sprang, hallte durch das offene Schott in die übrigen Sektionen.
    »Meine Familie hat auch niemand gefragt, ob sie in die Nähe strategischer Ziele geraten möchte!«
    Der Klang herbeieilender Schritte ließ ihn abrupt verstummen, doch es war zu spät. Ahmed sprang schon in die Leitzentrale.
    Er analysierte die Situation auf den ersten Blick und deckte seinen Bruder mit einem arabischen Wortschwall ein. Hamid zuckte ängstlich zurück, als er nach Strich und Faden zusammengestaucht wurde.
    Erst als sich Kapitän Wolkow zu ihnen gesellte, durfte der Junge mit hängendem Kopf hinaus gehen. Ahmed wies den U-Boot-Kommandanten mit einem Kopfnicken in Richtung von Bajgarin an, ebenfalls hart durchzugreifen.
    »Zieh bloß Leine, du Idiot«,

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