0320 - Heißes Pflaster Chicago
einen Augenblick dachte ich daran, sie sei es gewesen, die mich niedergeschlagen hatte, aber sie roch weder nach Schweiß noch nach Knoblauch, sondern nach Helena Rubinstein.
»Ich ging über den Flur«, sagte sie atemlos. »Ihre Tür war offen und ein Mann kam heraus und lief weg. Er trug eine schwarze Maske. Ich war so entsetzt, dass ich unwillkürlich hier hineinflüchtete. Das Licht funktioniert nicht, aber die Zimmer sind alle gleich eingerichtet, und so fand ich die Nachttischlampe. Dann sah ich Sie und wollte mich gerade um Sie bemühen, als Sie aufwachten.«
Ich kam auf die Beine. Das Mädchen stand jetzt so, dass die Lampe ihr ins Gesicht schien. Ich stellte fest, dass das Mädchen sehr hübsch war. Dann fiel mir Phil ein. Der musste ja schließlich etwas von dem Kampf gehört haben.
Ich ließ die Kleine stehen, zog diesmal vorsichtshalber die Pistole und drückte auf die Klinke von Phils Zimmer.
Sie gab nach. Das Zimmer war leer. Ein Stuhl war umgeworfen, ebenso wie die Vase mit den künstlichen Blumen auf dem Tisch. Ein süßlicher Geruch lag in der Luft… Chloroform.
Ich brauchte mich nicht anzustrengen, um festzustellen, dass man Phil zur gleichen Zeit wie mich überfallen und entführt hatte.
Bevor ich das auf dem Korridor befindliche Telefon benutzte, sah ich mich nach dem Mädchen um. Sie war nicht mehr da. Dagegen lag auf dem Tisch eine kleine Handtasche, die sie offenbar vergessen hatte. Die Handtasche war offen.
Sie enthielt nichts anderes als ein kleines Fläschchen und einen Wattebausch. Ich öffnete das Fläschchen und roch daran… Chloroform.
Jetzt erst fiel mir etwas ein, das ich wohl unter der Nachwirkung des Schlages auf den Schädel vorher nicht beachtet hatte. Das tizianrote Mädchen war vollkommen angekleidet gewesen und hatte einen trenchcoatähnlichen Mantel getragen.
Es war jetzt sechs Uhr vorüber. Was tat eine Frau in voller Kleidung um diese Zeit auf dem Gang der Pension?
Entweder musste sie im Begriff gewesen sein, wegzugehen oder sie war soeben gekommen.
Sie musste gerade gekommen sein und zwar zusammen mit dem Kerl, der mich niedergeschlagen hatte. Während dieser und mindestens zwei andere Phil wegschafften, musste sie den Auftrag gehabt haben, meine Bewusstlosigkeit durch Chloroform in einen längeren Schlaf zu verwandeln.
Dann hätte man wahrscheinlich auch mich abgeholt. Nur dem Umstand, dass ich zu früh wieder zu mir kam, hatte ich es zu verdanken, dass die Sache schiefgegangen war. Die Frau hatte die Gelegenheit, als ich nach Phil sah, benutzt, um sich schleunigst zu verdrücken und ihre Komplizen zu warnen. Die würden jetzt bestimmt nicht mehr zurückkommen.
Ich musste sofort Alarm geben, damit nach meinen Freund gesucht wurde. Als ich nach dem Telefon griff, klingelte es.
»Hallo«, meldete ich mich.
»Ist dort Cotton?«
»Ja, mit wem spreche ich?«
»Mit dem Boss der Torture Gang, wie Sie uns nennen. Hauen Sie ab! Machen Sie, dass Sie zurück nach New York kommen! Sobald Sie weg sind, werden wir Ihren Freund freilassen. Wir hätten Sie alle beide heute Nacht kaltmachen sollen, aber wir haben keine Lust, uns die Finger an ein paar G-men schmutzig zu machen, das heißt, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Wenn Sie allerdings weiter in Chicago bleiben, wird Ihr Freund erledigt und Sie kommen auch noch dran.«
Ich vernahm, wie der Hörer aufgelegt wurde.
Das war ungefähr, was ich geahnt hatte, aber waren denn die Kerle so dumm, dass sie glaubten, ich werde mich einschüchtern und Phil ohne Weiteres im Stich lassen?
Sie würden ihn natürlich nicht freilassen, auch wenn ich unter dem Druck ihrer Drohung abreiste. Phil war für sie eine Geisel die von unbeschreiblichem Wert war. Sie konnten jederzeit drohen, ihn zu ermorden, wenn…
Ich wählte die Nummer des FBI. Mit kurzen Worten erklärte ich, was vorgefallen war und bat darum, alle nur möglichen Maßnahmen zu treffen, um Phil zu finden.
»Am besten ist, wenn Sie sofort hierher kommen«, sagte der G-man am Telefon. »Natürlich werde ich inzwischen einen Großalarm auslösen. Schließen Sie die beiden Zimmer ab. Ich schicke die Spurensicherung in Ihre Pension. Vielleicht haben die Gangster ihre Visitenkarte hinterlassen.«
Ich packte die Handtasche ein, ebenso das Fläschchen und den Wattebausch und fuhr im Eiltempo zur Quincy Street. Der Alarm war bereits ausgelöst und man hatte auch die Stadtpolizei mobil gemacht. Vor allem würde jeder verdächtige Wagen angehalten und kontrolliert
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